Weit abgeschlagen, locker aus der Hüfte

Golf: Während sich die ehemalige Nummer 1 der Welt, Martin Kaymer, in der Abwärtsspirale befindet, präsentiert sich „Oldie“ Bernhard Langer in immergrüner Form

Von Bernd Müllender

Martin Kaymer kam fast aus dem Nichts. Mit 25 gewann er 2010 sensationell die PGA Cham­pion­ship, eines der vier großen Golf-Majors. 2011 war er der zweitjüngste Weltranglistenerste und wurde zum Hoffnungsträger des deutschen Golfsports – nach Bernhard Langer, der in den 80ern einen Boom auslöste, fast wie Boris Becker und Steffi Graf im Tennis. 2014 gewann Kaymer die US Open mit riesigem Vorsprung.

Danach ging es bergab, zuletzt immer steiler. Am Freitag ist der Mann aus Mettmann mal wieder zur Halbzeit eines großen Wettbewerbs ausgeschieden. Die British Open spielten am Wochenende im schottischen Carnoustie andere, 79 bessere Golfer aus.

Martin Kaymer ist privat ein höflicher, netter Kerl, ohne jede Starallüren, man kann locker mit ihm plaudern. Aber offiziell ist er verschlossen. Interviews, Fernsehauftritte, Rampenlicht – nicht sein Ding. Keiner für die Medienwelt. Introvertiert ist er; so weit man weiß, ohne Privatleben. Zum Fremdschämen war sein erster verkrampfter Auftritt im „Aktuellen Sportstudio“.

2015/16 sammelte er Sympathiepunkte durch eine empathische Begeisterung für den ersten Golfauftritt bei Olympia seit 112 Jahren. Golfmillionär Kaymer zog ins olympische Dorf in Rio, feierte mit vielen anderen Sportlern, wollte unbedingt eine Medaille, die er über jeden Major-Sieg gestellt hätte, wurde aber nur 15.

Bisweilen ist Kaymer ein großartiger Bälle­weghauer; seit jetzt zwei bis drei Jahren ein ziemlich lausiger. Der Grat zwischen hopp oder topp ist im Golf ganz schmal – weil ein paar gute Schläge eine gute Runde auslösen können, woraus womöglich ein Turniersieg wird, der das Selbstbewusstsein weiter steigen lässt. Bei Kaymer, 33, ist der Flow weg. Er lebt in der Abwärtsspirale.

Die Gründe? Bleiben spekulativ. Zu viele Schwungveränderungen? Die zuletzt chronischen Handgelenkschmerzen? Man könnte meinen, er habe keine Lust mehr am Golf, das ihm fast alles gab, aber als intelligenten Menschen inzwischen vielleicht langweilt. Manche schaffen den Major-Titel nie, etwa die Briten Lee Westwood und Colin Montgomerie, die jeweils über 80 vergebliche Anläufe nahmen. Oder der Spanier Sergio García – 2017 endlich reichte es für den Masters-Sieg, seitdem trifft er nichts mehr. Anders Martin Kaymer: früh die Nummer 1 der Welt, jetzt nicht mehr unter den besten 120.

Sein lapidarer Kommentar nach dem Aus am Freitag: „Die Konzentration ist zwischendurch weg und der Körper müde.“ Motivationsprobleme kennt Bernhard Langer nicht. Der ewige Anhausener aus Florida wird nächsten Monat 61 und spielt wie ein VW Käfer. Als er vor 42 Jahren seine ersten British Open spielte, waren sich die Eltern der meisten diesjährigen Teilnehmer noch völlig unbekannt. 2018 schaffte Langer locker den Cut und spielte sich im Laufe des Samstags mit spitzbübischem Lächeln um die faltigen Mundwinkel weiter nach oben. Fast hätte er die ganz große Krönung geschafft: den Albatros. Mit zwei Schlägen nach 500 Metern einlochen. Langers Ball war, geschlagen mit der Präzision eines Hirnchirurgen, genau auf Kurs, kaum ein Meter fehlte. Spektakulär. Der beste Golfsenior aller Zeiten strahlte.

Martin Kaymer droht jetzt das Aus auf der US-Tour, bald muss er in Qualifikationsturniere für die großen Events. Viermal hat er im heißgeliebten Ryder Cup für das Europateam gegen die USA gespielt (davon dreimal gewonnen), im September in Paris wird er nicht mehr dabei sein. Doch, sagte er noch eilig in Schottland, er habe weiterhin „sehr, sehr viel Spaß am Golfspielen“.