SPD bleibt erst mal in Deckung

Stimmt die SPD dem Asyl-Deal der Union zu? Parteichefin Nahles spielt auf Zeit, in der Partei rumort es

Von Ulrich Schulte

Die SPD-Spitze ließ im Oktober 2015 kein gutes Haar an der Idee der Union, Flüchtlinge in Transitzonen unterzubringen. Zentrale Lager mit mehreren zehntausend Flüchtlingen würfen schwere rechtsstaatliche Probleme auf, beschloss sie damals. „Es würden faktisch bewachte und umzäunte Haftlager entstehen.“ Wichtige SPDler wie Sigmar Gabriel, Katarina Barley oder Heiko Maas sparten nicht mit Kritik.

Gibt die SPD heute bei einem Punkt nach, den sie früher vehement bekämpfte? In der Asylrechtsverschärfung, auf die sich CDU und CSU nach tagelangem Drama einigten, tauchen Transitzentren plötzlich wieder auf. Aus ihnen sollen Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden. Der Flüchtling würde dabei behandelt, als sei er gar nicht nach Deutschland eingereist.

SPD-Chefin Andrea Nahles steckt nun in einem Dilemma. Gibt sie der Union nach, werden viele GenossInnen murren. Bleibt sie hart, rückt die SPD in der Debatte über die Flüchtlingspolitik in den Fokus. In der Partei rumorte es am Dienstag bereits. Aydan Özoğuz, die Migrationsbeauftragte der SPD, sagte, sie halte den Begriff „Transitzentren“ für eine Provokation. Sie wolle nun zunächst wissen, was genau mit den Transitzentren gemeint sei.

Matthias Miersch, Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Fraktion, sagte, Merkel und Seehofer hätten einen Vorschlag präsentiert, „der vielleicht für den Moment ihren Streit beendet, ansonsten aber vor allem Fragen aufwirft“. SPD-Bundesvize Ralf Stegner twitterte, die Union habe nach wochenlangem Rosenkrieg ein nächtliches Ei gelegt. Was davon zu halten sei, „das werden wir sorgfältig prüfen“.

In Ruhe prüfen, auf Zeit spielen, in Deckung bleiben. Das ist die Linie, die SPD-Chefin Andrea Nahles am späten Montagabend nach dem Koalitionsausschuss im Kanzleramt vorgegeben hatte. Dahinter steckt auch die Überlegung, das Thema nicht unnötig hochzujazzen. Zu dieser Strategie riet Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius. In der Sache gehe es um nichts, die Union erwecke nur den Eindruck, die gesamte Asylfrage zu klären. Am Ende gehe es um Einrichtungen an drei Grenzübergängen in Bayern „mit drei, vier Dutzend Fällen“.

Besonders ein Punkt ist in der SPD umstritten – die Frage, ob Flüchtlinge in Unterkünften inhaftiert werden dürfen. Die SPD-Spitze hatte den Unionsstreit mit einem Fünf-Punkte-Plan gekontert, der am Montag im Vorstand beschlossen wurde. Darin heißt es als Reaktion auf die Beschlüsse des EU-Gipfels: Weder Flüchtlingseinrichtungen in Afrika noch solche in der EU dürften „geschlossene Lager“ werden.

Gleichzeitig macht die SPD in ihrem Plan deutlich, dass sie weder mit Einrichtungen in Afrika noch mit beschleunigten Verfahren für Flüchtlinge, die in einem anderen europäischen Land erfasst und registriert sind, ein großes Problem hätte. Auch bei den Transitzentren ist ein Ja der SPD nicht ausgeschlossen. Schließlich kamen 2015 Zehntausende Flüchtlinge im Monat über die Grenze, heute sind es viel weniger. Die Einrichtungen wären also überschaubarer.

Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland bereits, er habe mit „Expresszentren“ keine Probleme, in denen auf Basis bilateraler Verträge die Asyllage geprüft und gehandelt werde. Express- statt Transit­zentren? Vielleicht ist es am Ende wirklich nur eine Frage des Namens.