das ding, das kommt
: Unmögliche Schreckens­bilder

Sichtschutzwände sollen künftig in Schleswig-Holstein Gaffer davon abhalten, Unfallopfer zu fotografieren und die Rettungsarbeiten zu behindern Foto: LBV.SH

Sich aus sicherer Distanz ein Bild vom Schrecken machen; dabei sein, wenn anderen Übles widerfährt: Derlei Erkenntnisbedürfnis liege nun mal in der „Natur des Menschen“, ist der Katastrophensoziologe Wolf Dombrowsky überzeugt (dass es mit den Bildern und den Katastrophen ein wenig komplizierter ist, legt wiederum die Lektüre des Textes gleich rechts auf dieser Seite nahe). Man sinniere ausgehend von dieser „Erlebnisgrundlage“ darüber, dass man selbst hätte Opfer werden können: „Die Leute lassen sich erschrecken, werden geläutert und zur Katharsis geführt, also vom erregten Gemütszustand gereinigt“, sagte er vergangenes Jahr der Stuttgarter Zeitung, die den Forscher zur Schaulust von Gaffern befragte. Gesetze könnten da nichts ändern.

Nicht mit Appellen zur Empathie und Rücksicht, sondern mit ganz handfest lustvoll-erschreckte Blicke verhindernden Zäunen will nun der schleswig-holsteinische Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Gaffer abhalten. Denn die fotografieren bei Unfällen immer häufiger auch Opfer, machen Selfies am Ort des Geschehens oder behindern Helfer, indem sie zwischen ihnen herumlaufen. 100 Meter lange mobile Sichtschutzwände aus 44 je 2,25 Meter breiten und 2,10 Meter hohen Einzelelementen werden nun bei schweren Unfällen aufgebaut. Eine halbe Stunde dauert das jeweils – bei Unfallgeschehen, die oft mehrere Stunden dauern, lohne sich der Aufwand aber, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Landesfeuerwehrverbandes, Gerd Riemann.

In Nordrhein-Westfalen werden die gaffenden Zaungäste schon seit drei Jahren abgewehrt, mehr als 100-mal wurden dort Sichtschutzzäune aufgebaut. Die Wirkung ist deutlich sichtbar: Seitdem nimmt die Zahl der Auffahr- und Stauende-Unfälle signifikant ab. (matt)