Fragen in der Ferienzeit

AfD-Politiker Jörn Kruse stellte 22 Anfragen in nur drei Tagen, die alle die Uni betreffen. Diese sei genervt, heißt es. Doch das Fragerecht der Abgeordneten ist unbegrenzt

Quält die Verwaltung mit Fragen in der Ferienzeit: Jörn Kruse Foto: Axel Heimken/dpa

Von Kaija Kutter

Als die AfD-Fraktion neu in der Bürgerschaft war, lästerten Beobachter, die achtköpfige Fraktion sei träge, da sie in knapp einem Jahr nur 89 Anfragen stellte. Die Fraktion sei noch im Aufbau und wolle die Verwaltung nicht mit sinnlosen Anfragen überlasten, antwortete der damalige Fraktionsvize Bernd Baumann. Auch sei der Referentenapparat noch nicht vernetzt. „Aber unsere Produktivität steigt“, sagte er dem Hamburger Abendblatt.

Nun, gut zwei Jahre später, sprudelt die Produktivität offenbar. Und es ist auch nicht recht. „22 Anfragen in einer Woche: Uni genervt von AfD“, titelte das Hamburger Abendblatt. Der Fraktionschef Jörn Kruse „sammelt Informationen zu Hamburgs größter Hochschule“, und habe es mit dem Fragenstellen übertrieben.

Kruse reichte Mitte Juli 22 Anfragen in nur drei Tagen mit mehr als 200 Einzelfragen ein. Und die alle müssen, in der Ferienzeit, in der die Verwaltung mit reduzierter Besetzung arbeitet, binnen acht Kalendertagen beantwortet werden, so sagt es Artikel 25 der Hamburger Verfassung. Das sei eine „Riesenbelastung“ zitierte das Hamburger Abendblatt eine Stimme aus der Verwaltung. Zudem sei die Uni der falsche Ansprechpartner für viele von Kruses Fragen, etwa zu Förderprogrammen der Volkswagenstiftung oder der Max-Planck-Gesellschaft.

Kruse selbst war für die taz am Freitag nicht zu sprechen, er sei im Urlaub, hieß es in der Fraktion. Das Hamburger Abendblatt hatte ihn zwei Tage vor seinem Urlaub noch erwischt. Die Belastung der Uni sei „nicht mein Thema“, wird er dort zitiert. Und dass er zu einem Studiengang, einem Netzwerkprogramm und einem Sonderforschungsbereich fragte, wie viele beteiligte Personen aus dem Ausland stammen, sei ihm nicht bewusst. Die Frage mache aber Sinn. Ergebe eine Anfrage, dass von 16 vorgesehenen Personen in einem internationalen Projekt 15 Mitglieder Deutsche wären, dann stimme etwas nicht.

Kruse war sogar einst Mitglied der SPD und gilt als Außenseiter in seiner Partei. Er war von 1985 bis 1989 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Hamburg und zuletzt bis Dezember 2013 Professor für Wirtschaftspolitik an der Helmut-Schmidt-Universität. Seine Fragen zeugen von Insider-Kenntnissen der universitären Förderlandschaft. Doch auch wenn er Spezialistenfragen stellt, rechtfertigen muss er sich dafür eigentlich nicht.

„Es ist das Recht von Abgeordneten und letztlich sogar eine Art Pflicht für Oppositions-Abgeordnete, Anfragen zu stellen“, sagt Cansu Özdemir, die Vorsitzende der Linksfraktion. „Dies gilt unabhängig davon, wie sinnvoll sie im Einzelnen gerade sind“. Allerdings sei da die Sache mit der Urlaubszeit. „Wir von der Linken halten es seit Jahren so, dass wir während der Ferien nur wirklich dringende Anfragen stellen.“ Damit wolle ihre Fraktion einerseits die Beschäftigten in den dann noch dünner besetzten Behörden entlasten, „und andererseits ist oft auch die Qualität der Antworten besser, wenn sie nicht in der Urlaubszeit beantwortet werden müssen“, so Özdemir.

Jörn Kruse hat bisher 312 Anfragen gestellt, Kollege Alexander Wolf 328. Die frühere CDU-Abgeordnete Karin Prien brachte es auf 597, der SPD-Mann Andreas Dressel auf 569 und sein Genosse Ties Rabe auf 416 Anfragen in der Opposition.

In dieser Legislatur wurden 9.792 Anfragen gestellt, davon schrieb die CDU 4.028, FDP 2.505, Linke 1.790, AfD 1.086, SPD 180, Grüne 113.

Anfragen werden immer mehr: In der 20. Wahlperiode gab es 9.484, in der 19. Wahlperiode 6.144, in der 18. Wahlperiode 4.209, in der 17. Wahlperiode 2.360

Der Senat hat übrigens bei Kruse das getan, was er häufig tut, und viele Fragen mit dem Hinweis, die Antworten seien direkt beim Projektträger zu erfragen, der zuständigen Behörde lägen „keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellungen vor“, nur sehr knapp oder gar nicht beantwortet.

In anderen Bundesländern macht sich vielerorts die Sorge breit, dass die AfD zunehmend mit Anfragen zivilgesellschaftliche Initiativen aufs Korn nimmt und in die Nähe des Linksex­tremismus rückt. So stellte ein Berliner Abgeordneter der AfD jüngst 129 Fragen zu „Linksextremistischen Netzwerken in Berlin“. In Bremen geht die AfD gegen einen Lehrer vor, weil er die Neutralitätspflicht verletzt haben soll.

In eine ähnliche Richtung zielen die Anfragen von Kruses Fraktionskollegen Alexander Wolf. So fragte er Anfang Mai, welche Erkenntnisse der Verfassungsschutz über die Betreiber der T-Stube im „Pferdestall“ der Uni und des studentischen „Café Knallhart“ am Institut für Sozialökonomie habe. Zudem erkundigte er sich nach einem Antifa-Kongress in der Roten Flora im April, für den zwei Plakate an der Uni gesichtet wurden. Der Senat antwortete, dass T-Stube und Café nicht im Visier des Verfassungsschutzes seien, weil dieser nur Bestrebungen beobachte, die „gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind“. Auch von besagtem Antifa-Kongress lägen keine Hinweise über gegen die Grundordnung gerichtete Inhalte vor. Allerdings habe die Uni ein Plakat abgehängt – bei einer Routinebegehung.