Verlorenes Finale der U19-EM: Auch deutscher Frauenfußball kriselt

Das deutsche U19-Team hat das EM-Finale verloren. Es zeigt sich, dass auch der Frauenfußball seine Vormachtstellung verspielt.

Die deutsche Trainerin Maren Meinert steht an der Seitenlinie

„Wir haben das Finale völlig verdient verloren“, sagt Nationaltrainerin Maren Meinert Foto: dpa

FRANKFURT taz | Nadine Kessler gab sich wirklich allergrößte Mühe, ihrer Doppelrolle gerecht zu werden. Eigentlich war die frühere Weltfußballerin, die wegen eines Knieschadens viel zu früh ihre Karriere beenden musste, im schweizerischen Biel auf den Rasen gekommen, um nach dem Finale der U19-Europameisterschaft der Frauen – Spanien bezwang Deutschland am Montagabend mit 1:0 – die Plaketten umzuhängen.

Aber damit konnte es die 30-Jährige unmöglich bewenden lassen: weil zu ihr Spielerinnen in schneeweißen Trikots schlichen, deren Gesichtsausdruck ein Hilfeschrei nach Aufmunterung war. Tapfer versuchte sich die hauptberuflich angestellte Uefa-Beraterin als Trostspenderin.

Stina Johannes (USV Jena) streifte sich indes die Silbermedaille sofort wieder vom Hals, denn die 18-jährige Torhüterin wusste am besten, wie gut ihr Team mit dem von Maria Llompart direkt verwandelten Freistoß (80.) bedient war. Allein viermal retteten sie Latte oder Pfosten. „Wir haben das Finale völlig verdient verloren“, räumte auch Nationaltrainerin Maren Meinert ein. „Wir haben nie zu unserem Spiel gefunden.“

Für die Fußballlehrerin bietet sich immerhin die Chance zur schnellen Reparatur. Meinert verantwortet parallel auch das U20-Nationalteam, dessen WM am kommenden Wochenende in Frankreich beginnt. Meinert musste eine Art Jobhopping betreiben. Mitten während der U19-EM sah die 44-Jährige beispielsweise einen 5:1-Testspielsieg der U20 gegen die Niederlande.

Leistungen unter den Erwartungen

Zuvor war ein Vier-Nationen-Turnier mit Niederlagen gegen Frankreich und USA so ernüchternd verlaufen, dass DFB-Boss Reinhard Grindel konstatierte, Leistungen und Ergebnisse seien unter den Erwartungen geblieben, „ich bin aber optimistisch, dass Maren Meinert und das Trainerteam an den richtigen Stellschrauben gedreht haben“.

Vieles mag dem Verbandschef zuletzt verborgen bleiben, aber er bekommt mit, dass auch der deutsche Frauenfußball seine Vormachtstellung verspielt. Das A-Team blamierte sich bei der EM 2017 in den Niederlanden bekanntlich dermaßen, dass Bundestrainer Steffi Jones mit Verzögerung den Job verlor. Bei der U19 liegt der letzte EM-Titel nun sieben Jahre zurück. Und auch das U17-EM-Finale gewannen die taktisch und technisch den Maßstab setzenden spanischen Mädchen gegen den deutschen Unterbau.

Für den deutschen Frauenfußball sind es wegweisende Wochen

Die U20-WM im August gilt als allerwichtigster Wegweiser für die Nachwuchsarbeit. In die Bretagne reist der zweifache Weltmeister (2010 und 2014) als Wundertüte. „Wir haben einen sehr guten Jahrgang“, behauptet Tanja Pawollek vom 1. FFC Frankfurt, der mit vier Spielerinnen die größte Fraktion stellt. Der VfL Wolfsburg ist hingegen im Kader gar nicht vertreten: Seine Toptalente rekrutiert der Doublesieger längst vorwiegend im Ausland.

Für den deutschen Frauenfußball sind es wegweisende Wochen: Es folgt das entscheidende WM-Qualifika­tionsspiel der A-Nationalmannschaft auf Island am 1. September. In Reykjavík ist der zweifache Weltmeister zum Siegen verdammt, will er nicht die WM 2019 in Frankreich verpassen.

Sinnkrise des deutschen Fußballs

Richtig günstig liegt der Termin nicht. Die Nachwuchsturniere sind ein Grund, dass die Frauen-Bundesliga erst Mitte September startet, was bedeutet, dass Interimstrainer Horst Hrubesch und seine vom VfL Wolfsburg abgeworbene Assistentin Britta Carlson das wichtigste Spiel des Jahres als Kaltstart angehen müssen. Schon bei einem Remis käme auf die DFB-Auswahl wohl ein Qualifikationsturnier mit den vier besten Gruppenzweiten zu, von denen nur einer noch ein Ticket für die Endrunde löst.

Der DFB musste vorsorglich die Austragungsorte für seine Heimspiele im Herbst benennen und entschied sich für Essen und Osnabrück. Niemand will dort wirklich Nervenspiele erleben. Die künftige Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg wird schon genau wissen, warum sie partout erst nach Ende des gesamten Qualifikationsprozesses anfängt. Mittlerweile würde es die Sinnkrise des deutschen Fußballs komplett machen, wenn auch die weiblichen Erfolgsgaranten so tief stürzen wie nie zuvor in der Verbandsgeschichte.

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