Agrarforscher gegen Soforthilfen: Höhe der Dürreverluste unklar

Der Bauernverband will sofort Geld vom Staat wegen Missernten infolge der Trockenheit. Das könne noch nicht entschieden werden, sagen Forscher.

Traktor mit Egge fährt über ein Feld

Viele Äcker sind zurzeit extrem trocken, die Ernten klein Foto: dpa

BERLIN taz | Anders als der Bauernverband empfehlen führende Agrarwissenschaftler, erst nach der Ernte über Dürrehilfen für Landwirte zu entscheiden. „Es ist zu früh für Entscheidungen über pauschale Subventionen oder Kompensationszahlungen. Wir müssen erst einmal die Erntebilanz abwarten“, sagte Harald Grethe, Vorsitzender des vom Landwirtschaftsministerium eingesetzten Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik und Ernährung, am Mittwoch der taz.

Friedhelm Taube, Professor an der Universität Kiel, ergänzte: „Die Forderungen des Bauernverbands sind im Augenblick unseriös. In diesem Fall pflichte ich Ministerin Klöckner bei. Man muss erst mal sämtliche Daten haben, inklusive der Preise. Und dann wird das Bild anders aussehen.“

Der Bauernverband dagegen verlangte, „schon jetzt“ Hilfen wegen der langen Trockenperiode zu beschließen. Die Organisation hatte von Bund und Ländern 1 Milliarde Euro für Landwirte mit hohen Ertragseinbußen gefordert. Ausgerechnet eineinhalb Stunden vor einer Pressekonferenz der Ministerin zum Thema korrigierte der Verband am Mittwoch seine Ernteprognose nach unten. Der durchschnittliche Winter­weizen­ertrag pro Hektar werde das Mittel der vergangenen 5 Jahre um 25 Prozent verfehlen, bei Winterroggen sogar um 35 Prozent, bei Winterraps um 32 Prozent.

Agrarforscher Taube kritisierte, dass mehrere Medien diese Zahlen wie eine offizielle Ernteschätzung von Behörden oder Kammern dargestellt hätten. „Es ist doch klar, dass der Bauernverband mehr Geld für seine Mitglieder will. Viele Journalisten sitzen hier einer Lobbygruppe auf, die einfach nur etwas für ihre eigenen Leute tun will.“

Friedhelm Taube, Agrarforscher

„Der Bauernverband will bloß mehr Geld für seine Mitglieder“

Dabei ist Professor Grethe zufolge noch offen, welche Betriebe am Ende überhaupt Verluste machen werden. „Bei einigen Produkten schießen die Preise wegen der Knappheit derzeit in die Höhe. Bei Kartoffeln beispielsweise sind sie so hoch wie seit 5 Jahren nicht. Auch die Getreidepreise sind gut. Wenn wir 30 Prozent Ernteausfall haben, aber 30 Prozent höhere Preise, sind die Erlöse der Landwirte unverändert.“

Erlöse im Normalbereich – trotz Dürre

Viele Betriebe werden laut Taube auch mehr für ihren Weizen oder Raps bekommen, weil die Protein- beziehungsweise Ölgehalte infolge der starken Sonneneinstrahlung besonders hoch seien. „Das sagt aber kein Bauernverband“, so der Agrarprofessor. Die Preise für Weizen seien jetzt 25 Prozent höher als vor einem Jahr. „Und dazu kommt noch der ebenfalls stark gestiegene Wert des Strohs.“ Taube rechnet damit, dass das finanzielle Ergebnis sehr vieler Ackerbaubetriebe innerhalb der normalen Schwankungsbreite liegen werde. „Wenn solche Betriebe wegen der Dürre in wirtschaftliche Not geraten, dann hatten sie auch schon vorher massive Probleme.“ Kleineren Höfen gehe es nicht grundsätzlich schlechter, denn sie würden oft zusätzliche Einkünfte aus dem Tourismus oder anderen Arbeitsstellen haben.

Nötig findet Taube nur Hilfen für Milchbauern, die das Futter ihrer Kühe selbst produzieren. „Die haben nicht nur Ertragseinbußen, sondern auch einen Verlust von Vermögenswerten, weil sie Kühe schlachten müssen, da das Futter knapp ist. Das kostet Geld, denn zurzeit bekommen sie für die Tiere nichts.“

Agrarministerin Julia Klöckner legte sich in ihrer Pressekonferenz dann auch weiterhin nicht auf Hilfen fest. Zuvor brauche die Bundesregierung dafür „valide Zahlen und Daten“ über tatsächliche Ernteausfälle, sagte die CDU-Politikerin nach Beratungen im Kabinett. Sie signalisierte aber die Bereitschaft, zügig Programme der Länder für von Futtermangel betroffene Viehhalter zu unterstützen.

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