Klage gegen Smartphone-Überwachung: Staatszugriff auf Nackt-Selfies

Der Verein Digitalcourage klagt gegen die Überwachung von Smartphones und Computern mittels Trojanern. Die Entscheidung dürfte Jahre dauern.

Mann mit Smartphone

LG an die mitlesenden Beamten :) Foto: dpa

KARLSRUHE taz | Die Bürgerrechtsorganisation Digitalcourage hat Verfassungsbeschwerde gegen die Nutzung von Staatstrojanern zur Strafverfolgung eingereicht. Sie klagte gegen ein Gesetz der Großen Koalition aus dem letzten Sommer.

Der Bundestag hatte im Juni 2017 mit sehr kurzem Vorlauf beschlossen, dass Spionagesoftware (Trojaner) heimlich auf Computern und Smart­phones installiert werden darf. Bei der sogenannten Quellen-TKÜ wird die Telekommunikation (Telefonate, E-Mails, Chats) mithilfe von Trojanern bereits auf dem Computer (an der Quelle) überwacht. So soll auch verschlüsselte Kommunikation kontrollierbar sein. Bei der Online-Durchsuchung kann der Trojaner zusätzlich den Inhalt der ganzen Festplatte an die Polizei übermitteln. Bei Mobilgeräten und Messengerdiensten hat die Polizei aber noch große technische Probleme, die rechtliche Befugnis auch zu nutzen.

Mit dieser Änderung der Strafprozessordnung wurden Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung erstmals für die Aufklärung begangener Taten erlaubt. Bisher waren sie (im BKA-Gesetz und einigen Landes-Polizeigesetzen) nur für die Verhinderung künftiger Straftaten, insbesondere von Anschlägen, zulässig. Das Bundesverfassungsgericht hat den Trojaner-Einsatz in zwei Urteilen – 2008 und 2016 – grundsätzlich gebilligt, aber strenge Anforderungen aufgestellt.

Digitalcourage hält die Überwachung von Smartphones mithilfe von Trojanern nun generell für einen Verstoß gegen die Menschenwürde. „Das Smartphone spiegelt unsere gesamte Gedankenwelt. Wenn das Smartphone überwacht wird, entsteht ein absolut gläserner Mensch“, sagte Rechtsprofessor Jan Roggenkamp, der die Klageschrift mit seinem Kollegen Frank Braun verfasst hat. Über das Smartphone suche man nach Lebenspartnern, Informationen über Krankheiten und verschicke erotische Selbstporträts. Dem Smartphone vertraue man unbewusst mehr Dinge an als einem Tagebuch. Der Einsatz von Trojanern unterlaufe dabei die Möglichkeit zur Verschlüsselung und damit zum Selbstschutz.

Anfangsverdacht genügt

Im zweiten Teil der Klage misst Braun die neuen Regeln an der bisherigen Karlsruher Rechtsprechung. Er moniert, dass für eine Quellen-TKÜ schon ein einfacher Anfangsverdacht genüge. Der Trojaner-Einsatz sei auch nicht auf die Verfolgung von schweren ­Straftaten beschränkt, sondern etwa schon bei Sportwettbetrug möglich. Erlaubt sei nicht nur der Zugriff auf laufende Kommunikation, sondern auch auf gespeicherte Mails und Chats. Strafgerichte hätten keine Möglichkeit, den Trojaner-Quellcode und damit dessen tatsächliche Fähigkeiten zu prüfen. Verfassungswidrig sei auch, dass der Gesetzgeber nicht die polizeiliche Nutzung von Sicherheitslücken in Computern verboten hat.

Kläger ist neben den Digitalcourage-Gründern Rena Tangens und „padeluun“ auch der Autor Marc-Uwe Kling. In seinen Büchern beschreibt er eine anstrengende Wohngemeinschaft mit einem kommunistischen Känguru. Er hält sich für klagebefugt, weil die Polizei möglicherweise nicht erkenne, dass das Känguru eine Romanfigur sei.

Kläger ist neben Digitalcourageauch der Autor ­Marc-Uwe Kling

Neben Digitalcourage hat bereits der IT-Sicherheits-Verband Teletrust in Karlsruhe gegen das Trojaner-Gesetz geklagt. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) sowie FDP-Politiker haben weitere Klagen angekündigt. Das Bundesverfassungsgericht wird vermutlich erst in einigen Jahren entscheiden. Zuständig ist diesmal – weil es um Strafverfolgung geht – nicht der liberale Erste Senat, sondern der traditionell konservativere Zweite Senat.

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