Und jetzt zum Tegernsee, bitte

Und so performen ARD und ZDF während der Fußball-Weltmeisterschaft: Alles von genial bis gruselig ist dabei. Auf jeden Fall zu wenig Frauen!

Mit Philipp Lahm auf dem Außensofa

Bei Wetten, dass ..? war die Schalte zum Außenreporter der Höhepunkt einer jeden Sendung. Sie signalisierte: Jetzt kommt eine Wette, die so groß ist, dass sie in keine Mehrzweckhalle mehr passt. Verglichen damit waren die Außenschalten der ARD während der WM, nun ja, eine Nummer kleiner. Vom Studio in Baden-Baden ging es, schwupps, aufs Gelände eines Yacht-Clubs am Tegernsee. Dort saß Philipp Lahm zusammen mit Jessy Wellmer auf loungeartigen Außensofas, im Hintergrund dümpelten Segelboote. Lahm sagte Sätze wie „Das hat der Hitz schon richtig analysiert“, dann ging es zurück ins Studio. Manchmal regnete es auch. Das passte stimmungsmäßig dann doch sehr gut zu Lahms Sinnieren über das deutsche WM-Ergebnis.

Elfmeterschießen ist auch Glückssache

Wozu ist eigentlich Kevin Kurányi gut? Die ARD setzt ihn bei diesem Turnier in der Mixed Zone ein. Dort steht er neben Reporter und interviewtem Spieler, aber ohne Funktion. Na gut, manchmal macht er den Dolmetscher: Für den Kolumbianer James Rodríguez übersetzte er zum Beispiel die deutsche Frage des Reporters ins Spanische. Hinterher vergaß er aber, die spanische Antwort wieder zurück ins Deutsche zu übersetzen, was die Angelegenheit ein klitzekleines bisschen witzlos machte. In Interviews mit deutschsprechenden Spielern wie Ivan Rakitić ist Kurányi noch nutzloser, streut aber Lebensweisheiten ein („Elfmeterschießen ist immer auch Glückssache“, nur zum Beispiel). Sehen wir es positiv: Die ARD nimmt den Leistungsdruck raus. Und: Man muss nicht immer liefern, um dabei zu sein.

Die Kreml-Hopserin

Sportjournalismus ist Männersache. Frauen sind Beiwerk. Ins Sportstudio dürfen sie gar nicht. ARD-Außenreporterin Palina Rojinski ist da keine Ausnahme. In Miniclips zeigt sie „Land und Leute“: Rojinski ist dazu verdammt, durch den Kreml zu hopsen, Knoblauch zu ernten oder die Decke der Metro zu bestaunen. Mit aufgerissenen Augen und gehauchten: „Wow, ist die schön, die Station!“ Ob das auch ein ARD-Mann gesagt hätte? Ein Lichtblick scheint das Interview mit einer mexikanischen Sportmoderatorin. Ein Narr, wer denkt, das Gespräch mit einer Fußballexpertin könnte von Fußball handeln. Ausgiebig geht es um russisches Essen, am Ende gratulieren sich beide zur jeweiligen Schönheit. Wow!

Im WM-Kwartira wird nicht überpiepst

Late Night Talk in Deutschland ist so eine Sache. Einst hieß es, Harald Schmidt hätte das uramerikanische Format kongenial fürs deutsche Fernsehen übersetzt. Aber seine Polenwitze waren schwer zu verstehen. Angesichts der schwierigen Aufgabe, ein Format, das Humor, Schlagfertigkeit, Selbstironie und Lässigkeit verlangt, ins Werk zu setzen, ist das WM-Kwartira gut gelungen. Host Jörg Thadeusz thront wie ein hochrangiger KGB-Offizier hinter einem hobbykellerartig vertäfeltem Ding mit rotem Stern, während sein jugendlich wirkender Sidekick Micky Beisenherz mit den Gästen auf einem Sofa lümmelt. Und es gibt Einspieler wie „Russian Fake News“. Ein Gast wie Oliver Polak darf ganz un-öffentlich-rechtlich gegen Lothar Matthäus wettern und zu Lewis Holtby sagen: „Du meintest, wenn England weiterkommt, blas ich dir einen.“ Und es wird nicht überpiepst – das haben die Deutschen den Amis sogar voraus.

Diese Ollis!

Nicht nur bei Deutschland – Mexiko kam das Beste in der Halbzeit: Mit den Frotzelkönigen Welke & Kahn ist das ZDF endlich auf dem Niveau angekommen, das früher Delling & Netzer (ARD) hatten. Ein launiger Mix aus Information und Unterhaltung. Bisschen Titanen-Analyse, bisschen Bielefelder Häme. Genial: Welkes Hinweis auf die Seehofer-Seifenoper beim Achtelfinale ­Dänemark – Kroatien: „Willkommen zurück in Baden-Baden. Wir sind immer noch da. Herr Kahn hatte kurzfristig seinen Rücktritt angeboten, aber ich habe ihn nicht angenommen.“ Und sogar Qualitätsjournalismus beim Nachhack-Interview mit Oliver Bierhoff zu Özil und Erdogate. Chapeau, Mainzelmännchen! Da mäkelt auch niemand mehr über die ZDF-Frisuren.

Kompetent ohne Platzhirschgebaren

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Es wäre viel zu einfach, lediglich festzustellen: Das Beste am ARD-WM-Experten Thomas Hitzlsperger ist, dass er nicht Mehmet Scholl ist. Hitzlsperger, der garantiert nicht allen im Publikum gefällt, weil mit ihm, einem offen schwulen Mann, gewisse sexistische Tonlagen nicht zu haben sind, ist frei von dieser unerträglichen männlichen Allüre, besserwisserisch zu zeigen, der tragisch unberufene Bundestrainer zu sein. „Hitz“ (Philipp Lahm) ist von bussibärigem Charme, ohne sein analytisches Vermögen allzu süßlich zu formulieren. Er attestierte deutschen Spielern schon früh unbefriedigende Leistungen, explizit. Er geizt auch nicht mit Widerspruch, Studiomoderator Alexander Bommes gegenüber. Wohltuend, dieser Durchblicker, der den Martialischen zu geben nicht nötig hat.