CDU-Politikerin über den Rechtsruck: „Da bin ich nicht kompromissbereit“

Die CDU-Politikerin Karin Prien unterstützt die neue „Union der Mitte“. Die Initiative wendet sich gegen die Verrohung des politischen Diskurses.

Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien spricht

Karin Prien fordert, die Union dürfe nicht die Themensetzung der Rechtspopulisten übernehmen Foto: dpa

taz: Frau Prien, gerade hatte Angela Merkel Geburtstag. Die neu gegründete Union der Mitte, der Sie sich verbunden fühlen, hat aus diesem Anlass Notengirlanden und „Happy birthday to you, Frau Bundeskanzlerin“ getwittert. Ist das jetzt die neue Heiterkeit bei CDU und CSU?

Karin Prien: Ein bisschen mehr Heiterkeit und Zuversicht kann uns allen im Moment nicht schaden. Davon abgesehen halte ich es für völlig normal, dass man seiner Parteivorsitzenden und amtierenden Bundeskanzlerin zum Geburtstag gratuliert.

Sie melden sich auf union-der-­mitte.org als Unterstützerin dieser Initiative zu Wort. Warum?

Die letzten zweieinhalb Jahre waren schwierig für viele in der Union, gerade auch für die liberaleren und moderaten Mitglieder. Und in den letzten Wochen sind aus meiner Sicht rote Linien überschritten worden. Und zwar inhaltlich, sprachlich und mit Blick auf die Art des Umgangs. Deshalb war es für mich an der Zeit, meine Zurückhaltung aufzugeben.

Was ist denn inhaltlich Ihr Grund, bei der Union der Mitte mitzumachen?

Zur DNA der Union gehört das Bekenntnis zu einer proeuropäischen Politik, die sich dem Multilateralismus verpflichtet fühlt. Uns kann es nur in einem liberalen, europäischen Deutschland wirklich gut gehen. Deshalb bin ich an dieser Stelle einfach nicht kompromissbereit.

UnionspolitikerInnen bilden aktuell immer neue ideologische Untergruppen. Es gibt schon die Werte Union, den Berliner Kreis, den Konservativen Dialog sowie Konrads ­Erben. Wozu braucht es jetzt noch eine Union der Mitte?

Wir sind keine Untergruppierung, sondern eine Initiative der Basis. Uns geht es darum, denen eine Stimme zu geben, die bisher nicht laut genug waren. Die Reaktionen geben uns recht: Innerhalb weniger Tage haben sich Tausende bei uns gemeldet, die sich abgeholt fühlen. Es geht nicht um eine Ideologie, sondern darum, einen ideologisch begründeten Rechtsruck zu verhindern.

Ist die Union nicht mehr mittig genug?

Doch, die Union ist zurzeit mittig genug. Aber wir müssen aufpassen, dass es da keine Verschiebung des Koordinatensystems gibt. Manche scheinen ja daran zu arbeiten. Das abzuwenden, genau darum geht es.

Nun gibt es ja diesen Klick-Aktivismus: eine Petition hier verbreiten, eine Rücktrittsforderung da anklicken. Warum ist das für Sie eine geeignete Form politischer Willensbildung?

Wir müssen akzeptieren, dass der politische Diskurs und die Willensbildung heute auch in den sozialen Medien und Netzwerken stattfinden. Das haben die Rechtspopulisten in Deutschland und Europa viel früher erkannt als die sogenannten etablierten Parteien und sich zunutze gemacht. Dem kann man sich nicht verschließen. Das ändert aber nichts daran, dass die Entscheidungen innerhalb der Union in den gewählten Parteigremien getroffen werden.

Karin Prien, 53, ist seit einem Jahr CDU-Bildungsministerin in Schleswig-Holstein

Ihre Kritiker sagen, die Union der Mitte sei ein „schwarz-grün unterwanderter Merkel-Fanclub“. Sie selbst sind Ministerin in der Jamaika-Koalition von Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther. Ganz unrecht haben die nicht, oder?

Da werden Narrative der Rechtspopulisten übernommen. Die Formulierung „links-grün versifft“ wurde durch die AfD geprägt. Die Union muss ihre eigene Agenda setzen. Sie darf weder solche Narrative übernehmen noch die Themensetzung der Rechtspopulisten. Ich bin in der Union ganz mittendrin. Ich habe wirtschaftsliberale Ansichten, gesellschaftspolitisch bin ich auch eher liberal. An anderen Stellen habe ich konservative Überzeugungen. So einfach ist das doch mit dem Schubladendenken nicht mehr.

Um das klarzustellen: Ich habe „schwarz-grün unterwandert“ zitiert.

Und ich habe bewusst auf das Narrativ abgehoben, denn daher kommen natürlich solche Unterstellungen. Natürlich sind die Grünen heute für uns ein möglicher Koalitionspartner, so wie die FDP und die SPD. Wir müssen anschlussfähig sein an jede demokratische Partei.

Sie sind Anwältin und haben eine Mediatorinnenausbildung. Was täte CDU und CSU gerade am nötigsten?

Mediatoren geht es ja darum, durch einen Interessenausgleich einen Mehrwert für alle Beteiligten zu schaffen. In diesem Sinne denke ich, dass wir als Union dringend an unserem Grundsatzprogramm arbeiten müssen, unser letztes ist von 2007. Wir müssen für die brennenden Zukunftsfragen neue Antworten finden, eine eigene Unionsagenda. Und wir dürfen uns die Art der Debatte nicht länger aufzwingen lassen. Mein Plädoyer wäre: Bitte, wir leben in einem der reichsten und schönsten Länder der Welt. Lasst uns doch bitte mit etwas mehr Zuversicht Zukunft gestalten; das ist doch hier keine Leidensgeschichte.

„Frauen fühlen sich im Moment besonders abgestoßen von der Art des Umgangs“

Der Union-der-Mitte-Gründer, Stephan Bloch von der CSU, hat im „FAZ“-Interview gesagt, Markus Söder und Horst Seehofer stünden „für Spalterei und Verrohung“. Das klingt nicht nach Versöhnung.

Stephan Bloch ist ein junger Mann, der sich als CSU-Mitglied darüber aufregen darf. Wichtig ist, dass wir wieder auf eine humane Sprache achten. Der Umgang in der Union muss anders werden. So wie es in den letzten Wochen gelaufen ist, kann es nicht weitergehen.

In dem gesamten Zoff, aber auch jetzt bei der Neugründung der Union der Mitte fällt auf, dass sich nur wenige Frauen beteiligen und zu Wort melden. Woran liegt das?

Ich habe den Eindruck, dass Frauen sich im Moment besonders abgestoßen fühlen von der Art des Umgangs miteinander. Aber in den nächsten Tagen und Wochen werden wir erleben, dass sich wieder mehr zu Wort melden, das ist nur eine Frage der Zeit. Ich bleibe dabei: Diese Art des rücksichtslosen Umgangs, die verrohende Sprache in den letzten Wochen ist für viele Frauen und Männer in der Union nicht akzeptabel. Das muss anders werden. Dazu werden wir mit der Union der Mitte beitragen.

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