Plutonia Plarre über eine gebührenpflichtige Rennpiste
: Sanft Radeln? Macht 10 Euro!

Nichts Böses ahnend kommen eine Frau und ein Mann aus dem Gleisdreieckpark geradelt. Es ist Donnerstag, 16 Uhr. Bleiern liegt die Hitze über der Stadt. Von Osten kommend radeln die zwei auf dem Bürgersteig der Kurfürstenstraße nach Westen, in Richtung Potsdamer Straße. Der Bürgersteig liegt im Schatten. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum die beiden die Fahrbahn meiden. Die Straße hat Kopfsteinpflaster. Kein Mensch fährt dort mit dem Rad. Zumindest gefühlt ist das so.

Das war schon früher so, als es den Park noch nicht gab. Weil die Bürgersteige der Kurfürstenstraße sehr breit sind, war es auch kein Problem. Aber seit der Gleisdreieckpark vor ein paar Jahren aufgemacht hat, sind die Bürgersteige der Kurfürstenstraße für Zweiradfahrer zur Rennpiste geworden. Zum Leidwesen der Anwohner. Sie sei zunehmend genervt, erzählt eine Frau, die seit 30 Jahren in der Straße wohnt. Man könne nicht mehr aus dem Haus treten, ohne Gefahr zu laufen, umgenietet zu werden.

Der Mann und die Frau, die am Donnerstagnachmittag aus dem Park kommen, treten kräftig in die Pedale. Es ist heiß, sie wollen nach Hause. Sie haben 20, 30 Meter auf dem Bürgersteig zurückgelegt, da ruft ihnen ein Anwohner, der vor einer Haustür steht, zu: „Steigt lieber ab, da vorne wird abkassiert.“ Tatsächlich. 100 Meter weiter stehen sie im Schatten auf dem Bürgersteig: Polizisten mit neonfarbenen Westen und mehrere Mitarbeiter des Ordnungsamts Mitte in weißen Polohemden.

Dankbar, dass sie gewarnt worden sind, schieben die beiden ihre Räder durch die Sperre und laufen weiter Richtung Potse. Am Kiosk kurz vor der Ecke hat sich eine kleine Traube von Anwohnern gebildet. Die Kontrollen sind das Gesprächsthema. Jedes Mal, wenn ein Radfahrer aus Richtung Potsdamer Straße kommend und ohne Vorwarnung vorbeifährt, freuen sich die Anwohner diebisch: „Wieder einer.“

Soweit zu beobachten ist, werden alle, die mit dem Rad auf die Kontrolle zusteuern, zur Kasse gebeten. 10 Euro kostet die Verwarnung. Auf Nachfrage teilte der Bezirksbürgermeister von Mitte Stephan von Dassel am Freitag mit, dass vor Ort 40 Verwarnungsgelder erhoben, 28 Anzeigen gefertigt und 74 „aufklärende Bürgergespräche“ geführt wurden. Die Ausbeute hätte noch größer sein können – aber es gibt ja noch solidarische Menschen auf dieser Welt.