FC St. Pauli oben, HSV unten

Für etwa 39 Stunden lagen 16 Tabellenplätze zwischen dem FC St. Pauli und dem Hamburger SV. Ein
guter Start für die Kiezkicker, die eigentlich als Abstiegskandidat für die Dritte Liga gehandelt wurden

Von Christian Görtzen

Gesungen wurde schon Minuten vor dem Schlusspfiff. Christopher Buchtmann hatte mit seinem Tor zum 2:0 (85.) für den Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli im Heimspiel gegen den SV Darmstadt 98 das Startsignal zu einem Sommerabend in größter Glückseligkeit gegeben. „Die Nummer eins der Stadt sind wir!“, schallte es schon Sekunden nach dem Treffer durch das Millerntorstadion.

Mit dem kollektiven Ausbruch der Freude nach dem Schlusspfiff war es noch längst nicht getan. Als kurz darauf auf der Anzeigetafel die Ergebnisse der anderen beiden Spiele eingeblendet wurden, folgte von Stadionsprecherin Dagmar „Daggi“ Hansen der braun-weiße Imperativ: „Speichert das ab! So fühlt es sich an, wenn zwischen zwei Hamburger Vereinen 16 Tabellenplätze liegen.“ St. Pauli war Erster, der HSV Letzter. Es folgte ein weiterer Aufschrei maximaler Vergnügtheit.

Sicher, es war nur eine Momentaufnahme von gut 39 Stunden, und der ungeliebte Nachbar HSV verkürzte am gestrigen Nachmittag durch ein 0:3 beim SV Sandhausen den Rückstand auf St. Pauli auf drei Punkte und sieben Tabellenplätze. Doch für die Fans des FC St. Pauli fühlt sich dieser Start in die Saison auch so gut an. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Erwartungen im Vorfeld der Spielzeit überschaubar positiv waren.

Die Kiezkicker galten nach der schwachen Gesamtleistung in der vergangenen Saison und der anschließenden Zurückhaltung auf dem Transfermarkt als ein Kandidat auf den Abstieg in die Dritte Liga. Und nun gelang nach dem 2:1-Auftaktsieg beim hoch eingeschätzten Neuling 1. FC Magdeburg ein 2:0 gegen Darmstadt, das Richard Neudecker mit seinem Tor (52.) eingeleitet hatte.

Nur zwei neue Kräfte wurden verpflichtet. Von Jahn Regensburg kam Mittelfeldspieler und Freistoßspezialist Marvin Knoll, und einen Tag vor dem Duell mit Darmstadt wurde noch der niederländische 2,01-Meter-Angreifer Henk Veerman vom SC Heerenveen unter Vertrag genommen. Der 27-Jährige erlebte die 90 Minuten gegen die „Lilien“ auf der Ersatzbank.

St. Paulis Trainer Markus Kauczinski war einen Tag nach dem Erfolg bemüht, den Überschwang zu dämpfen. „Der Moment ist schön, aber letztlich ist es ein Muster ohne Wert. Am zweiten Spieltag ist es egal, ob man Zehnter oder Erster ist“, sagte der 48-Jährige. Wichtiger als die Tabellenposition seien die Auftritte des nur wenig veränderten Teams gewesen. „Wir können uns über die Leistung freuen, über das, was die Mannschaft gezeigt und umgesetzt hat. Das ist viel wichtiger.“

Die Vorstellung der Braun-Weißen war – verglichen mit den Darbietungen in der vergangenen Saison – zweifellos von ganz anderer Qualität. Es war zu sehen, wie sich die Spieler gegenseitig halfen, sich anfeuerten. „Man kann immer viel erzählen, aber wir haben Jungs, die wirklich wollen und Bock haben, etwas zu erreichen. Alle kämpfen, alle arbeiten“, lobte Kauczinski. In dieser Verfassung, mit diesem Top-Start in die Saison als perfekte Basis, könnte der FC St. Pauli die positive Überraschung der Zweiten Liga werden.