Lars Penning
Filme aus dem Archiv –
frisch gesichtet
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Der Filmemacher Heinz Brinkmann ist in Heringsdorf auf der Ostsee-Insel Usedom geboren; sein Großvater, der Architekt Otto Ferdinand Saldsieder, baute dort 1920 die als Pension betriebene (und heute denkmalgeschützte) Villa Carmen an der Strandpromenade von Bansin. Mit dem Hintergrund seiner Familiengeschichte ist Brinkmanns Interesse an den Lebensgeschichten von Service-Personal und den Bausünden der letzten dreißig Jahre nicht weiter erstaunlich: Recht subtil verbindet der Dokumentarfilm „Usedom – Der freie Blick aufs Meer“verschiedene Auffassungen von Heimatgefühl mit kleinen Storys um die Chancen der Region, die auch im Austausch mit der polnischen Stadt Swinemünde/Świnoujście liegen, und dem Ärger über gedankenlose Investorentätigkeit, der über die Jahre in den Seebädern viele historische Gebäude zum Opfer fielen(18. 8., 17. 45 Uhr, 22. 8.,18 Uhr, Acud Kino 2).

Immer wieder hat Christian Petzold Filme um Figuren in einem Zustand des Übergangs gedreht: Sie sind nicht mehr da, wo sie einmal waren, aber auch noch nirgendwo anders angekommen: eine (Nicht-)Existenz im Wartesaal des Lebens. Marie (Paula Beer) ist so eine Figur in „Transit“, Petzolds Verfilmung eines 1944 erschienenen Romans der Schriftstellerin Anna Se­ghers, die darin die Schicksale von Emigranten verarbeitete, die auf der Flucht vor den Nazis in Marseille auf ihre Visa nach Übersee warteten. Marie lebt in Marseille mit einem Arzt zusammen, und vielleicht könnte sie auch Georg (Franz Rogowski) lieben. Tatsächlich aber wartet sie immer noch auf ihren Mann, von dem Georg längst weiß, dass er Selbstmord begangen hat: In Maries Liebesleben treffen sich Vergangenheit, Gegenwart und eine mögliche Zukunft, doch die junge Frau weiß nicht, was tun. Das macht den Plot um zwei Transitvisa (und die Frage, wer sie in Anspruch nehmen wird) unvorhersehbar. Petzold hat den Roman auf der visuellen Ebene in die Gegenwart verlegt: Befreit vom Ballast historischer Kostüme und Dekorationen berührt das Emigrantendrama umso direkter (17. 8., 21. 8., 18 Uhr, Kino Zukunft, 18. 8., 19.45 Uhr, 19. 8., 18.45 Uhr Acud Kino).

In den New Yorker Salons der feinen Gesellschaft herrschen in den 1870er Jahren strenge Konventionen. Angesichts einer unglücklich verlaufenen Ehe in Europa wird die kürzlich zurückgekehrte Gräfin Ellen Olenska (Michelle Pfeiffer) nunmehr geschnitten. Martin Scorseses Literaturverfilmung „The Age of Innocence“ ist ein Film der bedeutenden Blicke und Zeichen, in dem eine nie stillstehende Kamera jeder Geste folgt (OF, 19. 8., 19.30 Uhr, Arsenal 2).