„Ich lade, wo ich gerade bin“

Die schönste Zeit ist jetzt: in Hamburg ein elektrisch betriebenes Autos zu fahren, ist derzeit eine gute Idee, meint unser Autor. Denn Ladestationen gebe es immer genug – noch

Viele Gelegenheiten in Hamburg, seinen Wagen aufzuladen: Verleger Jörg Teepe Foto: Joto

Von Jörg Teepe

Seit Anfang Februar fahre ich einen Hyundai Ioniq, der bestimmt nicht hübsch aussieht, sicher auch nicht hässlich, der nicht mit einem Tesla die elektrische Oberklasse bildet, sondern sich bescheiden in der zweiten Reihe einordnet – und den es daher auch bereits ab 30.000 Euro zu kaufen gibt. Enthalten ist ein Toter-Winkel-Warnsystem, belüftete Sitze, Tempomat mit automatischem Abstandshalter und vieles mehr.

Das Besondere aber liegt im Antrieb, der viele Vorteile bietet: Ich habe beim Kauf 4.000 Euro Umweltprämie erhalten, 2.000 vom Autohaus, 2.000 vom Staat; ich zahle keine Kfz-Steuern, fahre leise und abgasfrei und kann wieder aus meiner Idylle in Hamburgs Norden in innerstädtische Bereiche fahren, ohne mir Sorgen um den Parkplatz zu machen. Denn E-Autos parken an Ladestationen, die in Hamburg ebenso zahlreich sind, wie es anders herum an E-Autos mangelt.

In der Praxis sieht das so aus:

Montag

Zur Arbeit hin und zurück, 16 Kilometer. Abends fahre ich mit meiner Partnerin in die Laeiszhalle. Dort habe ich mich seit Jahren nicht mehr mit dem Auto hingetraut, aber heute steht direkt gegenüber eine der städtischen 22-kW-Ladesäulen. Nach der Aufführung ist der Wagen vollgeladen und steht wieder für 250 Kilometer zur Verfügung.

Insgesamt 34 Kilometer gefahren, dabei im Schnitt 12,4 kWh/100 km verbraucht. Der Strom aus Hamburger Ladesäulen stammt aus regenerativen Energien und kostet 0,27 Euro/kWh, also habe ich heute 1,138 Euro für die Fahrten ausgegeben.

Dienstag

Zur Arbeit hin und zurück, 16 Kilometer (Übrigens bin ich im Winter meistens mit der S-Bahn zur Arbeit gefahren. Auch durch die Diesel-Berichterstattung hatte ich die Freude daran verloren, bei Minusgraden in einen knapp zwei Tonnen schweren Sechszylinder-Diesel zu steigen, um damit jeweils acht Kilometer zur Arbeit und zurück zu fahren.). Abends bin ich zum Tennis in Bad Bramstedt verabredet. Ich brauche 46 Kilometer für eine Fahrt.

Fazit des Tages: 108 Kilometer gefahren, dabei im Schnitt 13,4 kWh/100 km verbraucht. Kosten: 3,91 Euro.

Mittwoch

Morgens zur Arbeit, nachmittags zum Flughafen: Meine Nichte kommt aus Japan zurück, und ich habe angeboten, sie abzuholen. Da ein Teil meiner Familie in Japan, ein anderer in Australien lebt, habe ich schon einige Parkgebühren berappt. Heute parke ich an der Ladesäule, einem 50 kW-Schnellader, zahle keinen Cent fürs Parken und steige nach 30 Minuten in den Hyundai mit vollem Akku.

Kosten am Mittwoch: 19 Kilometer, Verbrauch im Schnitt 12,6 kWh/100 = 0,65 Euro.

Donnerstag

Zur Arbeit hin und zurück, 16 Kilometer. Abends – E-Mobilität macht kulturbeflissen – fahren wir ins Abaton-Kino. Dort sind gleich zwei Doppelladestationen in unmittelbarer Nähe. Wir wählen die im Grindelhof, um dort später noch eine Kleinigkeit zu essen.

Ergebnis: 37 Kilometer gefahren, dabei im Schnitt 11,7 kWh/100 km verbraucht – heute war es etwas wärmer, 20 Grad. Dadurch war der Verbrauch niedriger. Akkus sind tatsächlich sehr temperaturfühlig. Kosten: 1,16 Euro.

Freitag

16 Kilometer Arbeitsstrecke. Abends bleiben wir zu Hause, kochen und lesen. Das letzte Mal hatte ich mit 30 Jahren das Gefühl „Wo könnte ich denn hinfahren“, einfach aus Spaß am Cruisen. Das war über zwei Jahrzehnte lang verschwunden.

16 Kilometer, Verbrauch im Schnitt 11,3 kWh/100 = 0,49 Euro.

Sonnabend

Ich fahre Einkaufen und parke an der Ladestation, von wo aus ich Gemüseladen, Drogerie und Supermarkt erreichen kann. Einer der beiden Ladeplätze wird von einem Audi Q5 besetzt, der zudem so mittig steht, dass ich mit meinem Kabel nicht an die Säule reiche. Ich gehe zur Fahrertür und bitte ihn, zwei Meter vorzufahren. „Bissu behindert?“ kommt als Antwort des tätowierten Muskelmanns. Schließlich fährt er doch vor.

Ich lade, gehe einkaufen und ärgere mich sehr; so sehr, dass ich überlege, die Polizei zu rufen. Lasse es dann, als ich sehe, dass der Audi davonfährt. Abends sind wir mit Freunden zum Essen in Neuendeich verabredet.

Kilometer am Sonnabend: 84, Verbrauch im Schnitt 10,8 kWh/100 = 2,45 Euro.

Sonntag

Nach dem Frühstück wollen wir nach Lübeck fahren, den Tag dort verbringen und abends ins Combinale-Theater, wo eine Freundin von uns spielt. „Kein Problem“, dachte ich, der Akku war fast voll. Ich brauchte nur noch in Erfahrung zu bringen, wo in Lübecks Altstadt die Ladestationen aufgestellt sind. Die Recherche ergab: Pustekuchen, weit und breit keine Möglichkeit, den Akku zu laden. Also mussten wir wie jeder andere im Parkhaus Gebühren zahlen.

Jörg Teepe, 57, betreibt einen Sportverlag in Hamburg-Eppendorf, in dem Fußball- und HamburgQuartette erscheinen.

127 Kilometer, Verbrauch im Schnitt 13,0 kWh/100 = 4,46 Euro – plus Parkgebühren: 8 Euro.

Montag

Nicht zur Arbeit in die Tiefgarage, sondern zur Ladestation bei der Pizzeria. Eigentlich muss ich noch nicht laden, aber es macht einfach Spaß, sodass ich den Fußweg von 300 Metern gern in Kauf nehme. Ich mag es, die Ladekarte vor die Säule zu halten („Ihre Kundendaten werden geprüft“), mit dem Kabel Auto und Säule zu verbinden und die Anzeige „Es wird geladen“ zu sehen. Mittags gehe ich in die Pizzeria und fahre nach dem Essen in die Tiefgarage.

16 Kilometer, Verbrauch im Schnitt 11,2 kWh/100 = 0,48 Euro.

In Ländern wie den Niederlanden oder Norwegen ist es noch einfacher: Wer sich ein E-Mobil zulegt, hat ein Anrecht darauf, eine Ladestation vor das Haus gelegt zu bekommen. So weit sind wir noch nicht, und so groß scheint das Interesse der Regierung auch nicht zu sein. Ein Hinweis darauf ist die Tatsache, dass der Umweltbonus immer noch nicht auf meinem Konto eingegangen ist: Alle vier Wochen erhalte ich einen Brief, in dem steht, welche Unterlagen nachgereicht werden müssen. Eine der deutschen Sprache nicht sehr mächtige Person hätte keine Chance.

Vor dem Umstieg waren meine Bedenken: Zu Hause laden ist bei mir schlecht, also werde ich oft die 500 Meter zur nächsten Ladestation laufen müssen. Das tat ich anfangs zwei, drei Mal, ehe ich lernte, dass Hamburg genügend Möglichkeiten bietet. Ich lade, wo ich gerade bin.

Das Interesse ist riesig: Mir schauen viele Passanten hinterher, wer da so leise vorbeigleitet, und beim Laden werde ich oft angesprochen. Das Erlebnis mit dem Audi-Q5-Fahrer war das einzige schlechte.

Es gibt Ioniq-Fahrer, die ehrgeizig nur noch elektrisch fahren. Auf der Langstrecke helfen dabei die Schnelllader, die an Tankstellen platziert sind. Hier kann man sich im Sommerurlaub auch tatsächlich, je nach Fahrtempo und Verbrauch, alle rund 200 Kilometer innerhalb einer knappen halben Stunde zu 80 Prozent aufladen. Das würde ich noch nicht tun. Wir behalten noch unseren schönen Citroën C6. Aber in Hamburg habe ich die Freude am Autofahren wiederentdeckt.

Es wird nur ein kurzes Vergnügen sein: So lange, wie es für die vielen Ladestationen noch so wenige Elektroautos gibt.