Weder Königssturz noch Krönungsmesse

SPD-Spitze will heute auf ihrem Parteitag keine Queen-Musik – und keine Diskussion über linke Änderungsanträge

BERLIN taz ■ Auf eine Inszenierung à la CDU wollen die Sozialdemokraten bei ihrem heutigen Parteitag in Berlin verzichten. „Wir brauchen keine Krönungsmesse“, sagte SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter. Aber auch keinen Königssturz: Der südhessische Ortsverein Rheingauviertel/Hollerborn wollte ein wenig am Thron des noch amtierenden Kanzlers sägen – und wurde abgebügelt.

In seinem Antrag „Nominierung eines Kanzlerkandidaten“ forderte der Ortsverein, einen Kandidaten zu nominieren, der „für einen Politikwechsel steht“ – also nicht Gerhard Schröder. Die von SPD-Vize Kurt Beck geleitete Antragskommission lehnte den Antrag ab: „Votum: Nichtbefassung, weil wir den amtierenden Bundeskanzler bei seiner Wiederwahl unterstützen.“

Auch mit der geforderten Korrektur der Hartz-Reformen und der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes will sich die SPD-Spitze nicht beschäftigen. Entsprechende Anträge aus dem linken Bezirk Hessen-Süd wurden auf die Zeit nach dem 18. September vertagt oder durch das Wahlmanifest als erledigt betrachtet, das Schröder und SPD-Chef Franz Müntefering schon vor Wochen präsentierten.

„Das ist nichts Dramatisches“, sagte der Sprecher der Parlamentarischen Linken, Michael Müller, zur taz. „Die Ablehnung der Anträge hat gar keine Bedeutung für die Parteilinke.“ Als Volkspartei müsse man immer Kompromisse eingehen. Es komme dann darauf an, worauf man seinen persönlichen Schwerpunkt lege, „und der sieht bei mir sicher anders aus als bei Sigmar Gabriel“. Das Wahlmanifest sei lange diskutiert worden und Konsens innerhalb der Partei. Inzwischen rudert auch der aufmüpfige Bezirk wieder zurück. Die Anträge seien geschrieben worden, bevor das Wahlmanifest im Wortlaut vorlag. Darin sei ein erheblicher Teil der Forderungen berücksichtigt worden. Die noch offenen Punkte wolle man erst nach der Wahl diskutieren. „Der Bezirk wird sich der Antragskommission unterordnen. Wir wollen auf dem Parteitag keine Sachdiskussion vom Zaun brechen“, sagte Gerhard Merz, Sprecher des SPD-Bezirks Hessen-Süd. „Jetzt geht es erst mal darum, Wahlkampf zu machen.“

Und im Wahlkampf konzentriert sich die SPD im Wesentlichen darauf, die Personalentscheidung zwischen Angela Merkel (CDU/CSU) und Gerhard Schröder in den Vordergrund zu stellen. Mit Kritik am politischen Gegner wird im Wahlaufruf, über den die 525 Delegierten heute abstimmen werden, nicht gespart. Die Union stehe für eine „Politik der sozialen Kälte, die unsere Gesellschaft spaltet“. Mit den „Ideologen und Populisten“ der Linkspartei wolle man auch nichts zu tun haben, bekräftigte die SPD. Schröder hingegen stehe für eine „Politik des Muts, des Fortschritts und der sozialen Gerechtigkeit, die unsere Gesellschaft zusammenhält“. In ihrem Aufruf räumt die Partei zwar ein, dass die Arbeitslosigkeit nach wie vor eines der drängendsten Probleme darstelle. Doch in Zukunft werde kein junger Mensch unter 25 länger als drei Monate ohne Job oder Qualifizierungsmaßnahme bleiben, versprechen die Sozialdemokraten. Die geplante Mehrwertsteuererhöhung der Union lehnt die SPD als ein „Rezessionsprogramm“ ab, und Steuerfachmann Paul Kirchhof sei „mit seinem reaktionären Familienbild eine absurde Erscheinung“ (SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler).

Und obwohl man „keinen Parteitag der Pappschilder und Queens-Musik“ veranstalten will, sieht es nicht so aus, als bleibe zwischen einstündiger Schröder-Rede, 45 Minuten Müntefering und Verabschiedung des Wahlaufrufs auf dem fünfstündigen Parteitag light noch viel Platz für inhaltliche Debatten. SARAH MERSCH