Kein Anstieg der Gewalt

Die Straftaten an Bremer Schulen haben in den letzten drei Jahren nicht zugenommen, sagt der Senat. Die CDU spricht von „mangelnder Sensibilität“, andere von guter Prävention

An Bremer Schulen werden wenig Körperverletzungen registriert Foto: Oliver Berg/dpa

Von Eva Przybyla

In den vergangenen drei Jahren gab es keine Zunahme der strafrechtlich relevanten Fälle an Bremer Schulen. Das sagt der Senat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU.

In der Grundschule Robinsbalje im Stadtteil Bremen Huchting bedrohte eine Familie das Schulpersonal. Kurz zuvor war eines ihrer Kinder vom Amt für Soziale Dienste direkt aus dem Klassenzimmer in Obhut genommen worden. Als die Familie randalierte, schritt die Polizei ein. Aufgrund dieses Vorfalls im Mai sowie vermehrter antisemitischer Beleidigungen an Schulen vermutete die CDU einen Anstieg der Gewalt und stellte Anfang Juni eine Kleine Anfrage an die Landesregierung.

Doch diese kam nun zu einem anderen Schluss: Insgesamt 40 Mal ermittelte die Polizei in Bremen im vergangenen Jahr überwiegend gegen SchülerInnen, 2015 waren es 37 Fälle. Der häufigste Grund waren der polizeilichen Kriminalstatistik zufolge einfache Körperverletzungen. In Bremerhaven ist das Verhältnis ähnlich – bei insgesamt 10 Fällen im Jahr 2017. Gefährliche und schwere Körperverletzung machen weniger als ein Viertel der Fälle aus.

Angesichts von über 60.000 SchülerInnen im Bundesland Bremen seien 40 Fälle nicht beunruhigend, sagt Bernd Winkelmann von der Bremer Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Schulen sind ein Abbild der Gesellschaft – da gibt es nun mal Konflikte.“ Eher überrascht ihn die niedrige Zahl der Straftaten, angesichts des sich verschärfenden gesellschaftlichen Klimas: „Rechtsextreme Meinungen nehmen zu und Vorurteile werden geschürt. In einem solchen Umfeld spitzt sich auch die schulische Stimmung zu.“

Für die Befürchtungen der CDU hat er wenig Verständnis und bezeichnet sie als „Vorwahlkampf“. „In den Schulberichten spielt Gewalt keine Rolle“, sagt Winkelmann. „Wichtiger ist derzeit, dass wir überhaupt den Schulalltag organisiert bekommen.“ Drängende Probleme seien der Lehrkräftemangel und die Umsetzung der Inklusion.

Offenbar sieht das der bildungspolitische Sprecher der Bremer CDU, Thomas vom Bruch, anders. Er wirft dem Senat mangelnde Sensibilität und unzureichendes Wissen über das brutale Klima an Schulen vor. „Der Senat bringt mit seiner Antwort Desinteresse zum Ausdruck“, sagt er. Insbesondere beklagt der CDU-Politiker, dass der Senat besondere Vorkommnisse, also meldepflichtige Vorfälle von sexueller Belästigung oder etwa Bedrohung an Schulen nicht statistisch erfasst habe. So wisse man weder etwas über die wahre Zahl der Vorfälle noch über ihre Ursachen.

Für die Gewerkschaft geht es hier eher um den „Vorwahlkampf“ der Bremer CDU

Das kritisiert zwar auch Kristina Vogt von der Linkspartei, dennoch bewertet sie die gleichbleibenden Fallzahlen positiv. Vor dem Hintergrund wachsender Probleme an Schulen wie etwa traumatisierten SchülerInnen resümiert sie: „Da wirken wohl einige präventive Maßnahmen“. Dennoch fordert die Chefin der Linksfraktion Nachbesserungen und mehr Geld für die Vorbeugung von Straftaten, beispielsweise für mehr VertrauenspolizistInnen an Schulen. So sollten PolizistInnen, die gegen SchülerInnen ermitteln, nicht gleichzeitig ihre Vertrauensperson sein, wie es derzeit häufig der Fall sei.

Die sogenannten Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren haben dafür das Vertrauen der SchülerInnen gewonnen. Sie bilden eine neutrale Stelle zwischen Schule und Polizei an den Schulen. Ähnlich positiv bewertet Henning Lueken vom Bremer Kinderschutzbund das Präventionsprogramm „Kindernot braucht Lösungen“: Dort lernen Grundschüler­Innen, mithilfe von Rollenspielen und Maskottchen ihre Gefühle auszudrücken und Konflikte zu lösen.

Einen Anstieg der Gewalt habe Lueken nicht bemerkt. Jedoch seien Konflikte für die SchülerInnen heute psychisch belastender. Schuld daran seien besonders soziale Medien: „In Gruppenchats tragen sich Konflikte über den Schulschluss hinaus fort und belasten die Betroffenen“, sagt Lueken.