Kommentar LehrerInnenmangel: Quereinsteiger sind besser als ihr Ruf

Jertzt rächt sich, dass die KultusministerInnen verschlafen haben, rechtzeitig auf den steigenden LehrerInnenbedarf zu reagieren.

Ein Mann, er ist nur von hinten zu sehen, wischt eine Tafel mit einem feuchten Schweamm ab.

Bundesweit gesucht: ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer Foto: dpa

So geschmiert wie im Film läuft es ja selten im richtigen Leben. Dass ein großmauliger Ex-Knacki wie Zeki Müller im Kinoschlager „Fack ju Göthe“ mit niederen Motiven an eine Brennpunktschule kommt und dort seine Berufung als Hilfslehrer (und noch dazu seine heiße Liebe) findet, ist natürlich exzellenter Kinostoff. Mit der Wirklichkeit hat das freilich wenig zu tun – mit einer Ausnahme.

Eine Lehrkraft, die gar kein Lehramtsstudium in der Tasche hat, kann sich vor der Klasse genauso leicht oder sogar leichter tun als eine Kollegin oder ein Kollege mit Bestnote in beiden Staatsexamina. Das ist auch der Grund, der die Debatte um die QuereinsteigerInnen so schwierig macht. Sie pauschal zu verdammen als Gefahr für die Unterrichtsqualität, wird ihnen nicht gerecht.

Klar ist jedoch: Die Zunahme nicht ausgebildeter PädagogInnen an deutschen Schulen wirft viele berechtigte Fragen auf. Zunächst: Warum haben es die KultusministerInnen derart verschlafen, rechtzeitig auf den steigenden Bedarf zu reagieren?

Hätten sie vor zehn Jahren die Plätze für das Lehramtsstudium ausgeweitet und gleichzeitig den Beruf attraktiver gemacht – Stichwort: höhere Gehälter für GrundschullehrerInnen; Verbeamtung in allen Bundesländern – würden PädagogInnen heute nicht den Bildungsnotstand ausrufen. Und KultusministerInnen müssten nicht Pensionäre, Lehramtsstudierende und eben QuereinsteigerInnen rekrutieren, um den SchülerInnen überhaupt eine Lehrkraft vorsetzen zu können.

Die Bräsigkeit von damals können sich die BildungsministerInnen aber nicht mehr leisten. Deshalb wären sie gut beraten, die anderen drängenden Fragen rund um den Quereinsteig ernst zu nehmen. Zum Beispiel den der Betreuung: AusbilderInnen und QuereinsteigerInnen schütteln nur den Kopf, sofern sie in Berlin sitzen. Eine Woche Crashkurs und dann ab in die Klasse. Nebenher soll man noch das Referendariat nachholen und nach Möglichkeit noch ein zweites „Fach“ studieren. Man kann sich vorstellen, dass das Stress pur ist. Selbst wenn man bei den SchülerInnen so gut ankommt wie das Lehrer-Großmaul in „Fack ju Göthe“.

Einheitliche Standards fehlen

Der deutsche Bildungsföderalismus macht das Ganze noch wirrer: In manchen Bundesländern müssen Neu-LehrerInnen erst mal drei Monate die Schulbank drücken, bevor sie auf die Klassen losgelassen werden. In wieder anderen schreibt man lieber huldigungsvolle Briefe an SeniorInnen, um die Leerstellen zu kitten. Die KultusministerInnen haben sich bisher nicht auf einheitliche Standards einigen können – genauso wenig wie bei den Abiturprüfungen oder den Anforderungen an inklusiven Unterricht.

Zumindest eines sollten die Länder aber endlich angehen. Eine eigene bundesweite Bedarfsanalyse. Die ist die Voraussetzung dafür, dass die ach so schlecht ausgebildeten QuereinsteigerInnen nicht auch in zehn Jahren den Kopf für die Fehlplanungen der Politik herhalten müssen. Mal sehen, wie lange sie sonst noch bereit sind, in diesem Film mitzuspielen.

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