Kommentar Prozess um § 219a: Verlieren heißt gewinnen

Von der Bundesregierung ist eine Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes nicht zu erwarten. Doch das Bundesverfassungsgericht könnte helfen.

Kristina Hänel

Kristina Hänel wünscht sich keinen Freispruch (Archivbild 2017) Foto: dpa

Kristina Hänel wünscht sich keinen Freispruch. Die Ärztin gesteht, was man ihr vorwirft: Sie informiert auf ihrer Webseite darüber, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Und sie will daran auch nichts ändern. Was sie ändern will, ist die Rechtslage. Dass sie dafür inzwischen auf das Bundesverfassungsgericht setzt und nicht auf die Politik, ist nur nachvollziehbar.

Noch Anfang des Jahres sah es so aus, als sei die Abschaffung von Paragraf 219a ein Selbstläufer; übrig geblieben ist davon nicht viel. Die SPD bereitet sich verbal schon auf einen Kompromiss mit der Union vor. Die aber hat bisher keine Einsicht erkennen lassen und will stattdessen wahlweise die Pflichtberatung noch weiter ausbauen oder Listen etwa auf den Seiten von Ämtern oder Ministerien einführen, ohne Paragraf 219a zu ändern.

Beides wären faule Kompromisse. Selbst eine Änderung im Strafrecht, wonach nur noch anstößige oder reißerische Werbung unter Strafe stünde, wäre kaum befriedigend: Ärzt*innen wären weiterhin den Anzeigen fundamentalistischer „Lebensschützer“ ausgesetzt, die mitunter Abtreibungen mit dem Holocaust gleichsetzen. Anstößigkeit scheint für diese Menschen eine dehnbare Kategorie zu sein.

Perspektiven auf Informationen zum Schwangerschaftsabbruch. Interviews des Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e.V. (AKF) mit Ärztinnen und interessierten Frauen:

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Schwangerschaftsabbrüche gelten nach wie vor als „Straftaten gegen das Leben“ – ebenso die sachliche Information durch eine Ärztin, dass sie diese durchführt. Die Bundesländer müssen laut Gesetz sicherstellen, dass es ausreichend Einrichtungen gibt, die Abbrüche durchführen. Die Ärzt*in­nen erfüllen qua­si einen Staats­auf­trag, wie der Ju­rist Rein­hard Mer­kel an­merk­te – sie da­für zu be­stra­fen ist ab­surd.

Die Chancen, dass auch das Bundesverfassungsgericht dies so sieht, stehen gut. Und so wäre eine klare und endgültige Entscheidung aus Karlsruhe im Zweifel zielführender als ein Irgendwie-Kompromiss aus Berlin. Für den Gesetzgeber wäre es reichlich peinlich, sich derart von einem Gericht in die gesellschaftliche Gegenwart tragen zu lassen – mal wieder.

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leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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