Streit um Gesichtserkennungssoftware: Polizei in der Bredouille

Hamburgs Datenschutzbeauftragter fordert die Polizei auf, die Nutzung von Gesichtserkennung zu stoppen. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage.

Ein Polizist betrachtet einen Monitor auf dem eine Menschenmenge zu sehen ist.

Könnte Gegenstand eines Rechtsstreits werden: Videoauswertung bei der Polizei Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Innenbehörde ist in Zugzwang. Der Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hat die Gesichtserkennungssoftware, die die Polizei nach den G20-Protesten eingeführt hat und jetzt dauerhaft nutzen will, offiziell beanstandet.

Es gebe keine Rechtsgrundlage für das Erstellen biometrischer Gesichtsabdrücke, kritisierte Caspar. Er forderte die Polizei auf, das Programm zu stoppen und die bereits erhobenen Daten zu löschen. Die Innenbehörde hat nun vier Wochen Zeit, Stellung zu nehmen und den Forderungen nachzukommen. Tut sie das nicht, muss sie vor Gericht gehen.

Bereits Anfang Juli hatte Caspar der Polizei schriftlich mitgeteilt, dass er den Einsatz der Gesichtserkennungssoftware für rechtswidrig hält. Die Polizei war anderer Meinung: Der Einsatz sei durchaus rechtskonform. Daraufhin hat der Datenschutzbeauftragte jetzt die Beanstandung ausgesprochen, die die Innenbehörde zur Reaktion verpflichtet.

Dass es nun vielleicht auf einen Rechtsstreit hinausläuft, geht auf eine Erweiterung der Befugnisse des Datenschützers zurück: Bisher konnte er nur Sachverhalte beanstanden, ohne dass sich für die Beanstandeten ein Zwang zu handeln ergab. Seit der Umsetzung einer EU-Richtlinie vor einigen Wochen kann er eine verbindliche Anordnung aussprechen, wenn der Beanstandung nicht nachgekommen wird.

Johannes Caspar, Datenschützer

„Es darf nicht allein der Einschätzung der Polizei unterliegen, biometrische Massenerhebungen durchzuführen“

Im Rahmen der G20-Ermittlungen hatte die Soko Schwarzer Block die Software „Videmo 360“ angeschafft und mit rund 17 Terabyte Video- und Bilddaten gespeist. Die Technologie kann Gesichter auf Videos biometrisch verarbeiten. Sie erstellt sogenannte Gesichtstemplates, also mathematische Modelle der wesentlichen Merkmale – und zwar aller auf den Videos erfassten Personen.

Nach diesen Templates durchsucht sie dann das gesamte Videomaterial, um entweder festzustellen, an welchen Orten und in welchen Situationen jemand noch war, oder um zu recherchieren, was namentlich bekannte Personen während des Gipfelprotests getan haben. Der Vorgang ist extrem aufwendig: Allein das Einspeisen der Daten in die Software dauerte sieben Wochen.

Die Datenschutzbehörde hat jetzt einen 31-seitigen Bericht zur Software vorgelegt. „Standorte von Einzelnen können über längere Zeit rekonstruiert, Bewegungsprofile erstellt und Beziehungen zu anderen Menschen dokumentiert werden“, heißt es darin. Solche Informationen ermöglichten Schlüsse auf Verhaltensmuster und Präferenzen Einzelner und Eingriffe in das grundrechtlich geschützte Geheimhaltungsinteresse und in die Verhaltensfreiheit. Es dürfe nicht allein der Einschätzung der Polizei unterliegen, „biometrische Massenerhebungen zur Ermittlung von Straftätern durchzuführen.“

Voraussichtlich wird es zum Rechtsstreit kommen

Aus Sicht der Polizei ist die Rechtsgrundlage für den Einsatz durch eine Generalklausel der Strafprozessordnung gegeben, denn sie versteht das Auswerten der Videos als allgemeine Ermittlungshandlung. Die Software sei lediglich ein Hilfsmittel dafür. Die Frage, ob die Beanstandung des Datenschutzbeauftragten an dieser Einschätzung etwas ändere, verneinte Polizeisprecher Ulf Wundrack: „Die Polizei hält diese konkrete Art des Vorgehens unter den gegebenen Rahmenbedingungen auch weiterhin für gesetzlich legitimiert.“

Da die Innenbehörde sich nicht gesondert äußern wollte, sondern auf die Einschätzung der Polizei verwies, wird es wohl zum Rechtsstreit kommen. Es wäre der erste zwischen der Datenschutzbehörde und einer anderen Behörde in Hamburg.

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