Enercon mogelt sich schlank

Niedersachsens Groko greift den kriselnden Windradhersteller an. Der redet nicht mit Betriebsräten

Von Andrea Maestro

Heiner Kleen hat Angst vor der Kündigung. Seit 16 Jahren arbeitet er als Monteur bei Enercon – das dachte er jedenfalls. Doch der Windradhersteller mit Sitz in Aurich hat nicht nur angekündigt, rund 835 Stellen zu streichen, er distanziert sich auch von seinen Tochtergesellschaften. Die sollen, obwohl sie exklusiv für das Unternehmen produzieren, plötzlich nicht mehr zu Enercon gehören, sondern Zuliefererfirmen sein. Die Verantwortung für den Sozialplan läge dann nicht mehr bei Enercon.

„Es wurde immer gesagt, ihr seid unsere Monteure, ihr seid Enercon“, sagt Kleen, der bei der Firma WEC Site Services angestellt ist. Auf seiner Arbeitskleidung stehe das Enercon-Logo und auch in seiner E-Mail ­Adresse finde sich der Firmenname. Von WEC Site Services erwartet er keine große Abfindung. „Da sind keine Gelder vorhanden.“

Kleen und 23 weitere Enercon-Mitarbeiter sind gestern in den Landtag gekommen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Die SPD hatte das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. „Hier versucht ein Großunternehmen, sich auf eine sehr dreiste Art und Weise aus der Verantwortung zu stehlen“, sagt SPD-Fraktionschefin Johanne Modder. Die Distanzierung von den Tochterfirmen sieht sie kritisch: „Wie ist zu erklären, dass der Enercon-Chef Herr Kettwig bis vor kurzem noch Geschäftsführer in mehreren der betroffenen Firmen war?“

Enercon will nicht reden

Das Land würde mit Enercon, den Betriebsräten und der IG Metall gern Gespräche führen. Aber die Einladungen von Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) schlug das Unternehmen aus.

„Dass Enercon Minister von der Bundes- und der Landesebene brüskiert und nicht bereit ist, mit ihnen zu reden, ist nicht akzeptabel“, sagt Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Rund fünf Millionen Euro Fördermittel vom Land hat Enercon erhalten. Erst kürzlich überreichte der Bund einen neuen Scheck über 430.000 Euro an eine Enercon-Tochter. „Da darf ich erwarten, dass sich die Geschäftsleitung gemeinsam mit allen Betroffenen an einen Tisch setzt“, sagt Althusmann. Er betont jedoch, die Situation des Windradherstellers sei schwierig. „Die Umsatzeinbrüche sind drastisch.“ Es sei damit zu rechnen, dass die Auftragsflaute zwei Jahre dauern könne. Ministerpräsident Weil sieht den Grund dafür in „politischen Fehlern“ in Berlin. Nun drängt Niedersachsen auf Sonderausschreibungen für Windräder.

Ein Enercon-Sprecher hält den Stellenabbau für alternativlos. „Wir haben uns versichern lassen, dass die Geschäftsführungen der betroffenen Betriebe mit ihren Betriebsräten Interessenausgleiche und Sozialpläne erarbeiten.“ Die Mitarbeiter aber wollen mit Enercon direkt verhandeln.