Jan-Paul Koopmann
Popmusik und Eigensinn
: Auf ewig drehen im Hamsterrad

Das Gespräch über Pop ist selbst schon wieder welcher. Denn so, wie Künstlerinterviews Haltung und Denken jenseits der unmittelbaren Musik abklären, drehen auch Rezensionen oder sogar Berichte der Glücklichen, die irgendwo dabei waren, den Diskurs weiter. Und dass es bei der ganzen Pop-Sache eben zu allererst um Diskurse geht, bestreitet wohl kaum noch jemand. Klarer auf der Hand als bei Martin Büssers Band Pechsaftha lag dieses komische Pop-Sein des Redens über Pop kaum irgendwo. Wo er da als eine der wichtigsten Stimmen deutschsprachiger Poptheorie und -kritik ganz weit weg vom Rampenlicht auch noch selbst drüber sang. Und dann hat er eben noch diese ganzen Bücher und Magazine geschrieben und verlegt.

Martin ist nun seit fast acht Jahren tot und immer noch ein schmerzender Verlust. Dass seine Freunde immer noch Bücher mit Martins alten Texten editieren und drucken, ist aber viel mehr als eine für immer betroffen bleibende Geste. „Für immer in Pop“ ist so ein Buch, das Jonas Engelmann kürzlich in dem von Martin gegründeten Ventil-Verlag herausgegeben hat. Kommende Woche ist er in Bremen, um daraus Texte vorzulegen, die aus den Jahren 1990 bis 2010 stammen und ursprünglich im punk-autonomen Fanzine ZAP erschienen sind, bei Intro oder Jungle World.

Wichtig an diesen Texten ist nicht, dass Martin zum Interview vor einem unerträglichen Henry Rollins knien musste oder sich nach dem Nirvana-Konzert zu Dave Grohl drängeln und das alles schön aufgeschrieben hat. Sondern dass Martin diesen ganzen Geschichten das Austrocknen schon angesehen hat, als sie noch der heiße Scheiß waren: die MTV-Sause der 90er, die langhaarige Rebellion als heterosexuell-männliche Weltschmerzverkündung, Musikjournalismus als oft hilflose Verdopplung des Dramas und so weiter und so fort.

Manches davon klingt heute fremd, weil es dieses Ernstnehmen kaum noch gibt. Wenn Martin da mit ganz echter Wut von den dumpfen Seiten des Szenelebens spricht, dann steht da wenig, was inzwischen nicht hundert Mal abgeschrieben worden wäre. Aber es schneidet trotzdem tiefer. Es macht eben einen Unterschied, ob sich wer über pseudo-rebellische Gesten aufregt – dem eine echte Rebellion herzlich egal ist – oder ob Martin das macht. In einer Sprache übrigens, die mit dem antiintellektuellen Dummscheiß der einen Szenehälfte nichts zu tun hat und mit der akademischen Phrasendrescherei der anderen noch weniger. Alles war gerade so kompliziert wie nötig.

Rausgekommen ist Martin aber natürlich auch nicht und damit wären wir wieder bei Pechsaftha, wo er das eben auch gesungen hat: „Jetzt sag nicht, dass das kein Leben ist / Denn du hast es so gewählt / Jetzt sag nicht, du findest den Ausgang nicht / Weil es den gar nicht gibt“, heißt es da: „Der Hamster im Rad / für immer im Pop“.

Lesung: Mo, 10. 9., 20 Uhr, Galerie K’

Martin Büsser: Für immer in Pop. Ventil 2018, 240 S., 15 Euro