EU und USA kämpfen um Finanzdienstleister Swift

Die Iran-Sanktionen gefährden das internationale Zahlungssystem. Nun denkt Außenminister Maas über Alternativen nach – doch sein Vorstoß kommt zu spät

Die EU hat 2009 ihre Chance versäumt, sich ihre Unabhängigkeit von den USA zu sichern

Aus Brüssel Eric Bonse

Kaum einer kennt es, doch fast jeder nutzt es: das länderübergreifende Bezahlsystem Swift mit Sitz in Hulpe bei Brüssel. Über den genossenschaftlich organisierten Finanzdienstleister werden die meisten internationalen Banküberweisungen und Geldgeschäfte abgewickelt. Normalerweise geschieht dies geräuschlos. Doch nun ist Swift in einen heftigen transatlantischen Streit verwickelt.

Dabei geht es um die Iran-Sanktionen, die US-Präsident Donald Trump verhängen will. Die erste Stufe der Sanktionen ist bereits in Kraft, die zweite soll im November folgen. Dann könnte Iran aus Swift ausgeschlossen werden; internationale Zahlungen von und nach Teheran wären kaum noch möglich. 16 republikanische US-Senatoren haben Trump gerade erst zu diesem ultimativen Schritt aufgefordert.

Die Europäische Union hält dagegen – noch. Sie hat Trump aufgefordert, zur EU gehörige Unternehmen und Banken von den Sanktionen auszunehmen. Außerdem versucht sie, ihre Firmen und Finanzinstitute zu schützen. Bisher ohne Erfolg: Siemens, Daimler und der französische Ölriese Total haben bereits den Rückzug aus dem Iran-Geschäft angekündigt.

Weitere Firmen könnten folgen, wenn es der EU nicht gelingt, wenigstens die Finanzierung von Iran-Geschäften abzusichern. Doch die Europäische Investmentbank hat bereits abgewinkt. Sie braucht den Zugang zum US-Markt für ihre eigene Finanzierung und will daher kein Risiko eingehen. Auch Swift sind die Hände gebunden – denn die Firma ist vom Willen ihrer Mitgliedsländer abhängig.

Theoretisch könnte sie sich zwar den US-Sanktionen widersetzen. Schließlich ist Swift in Belgien ansässig und unterliegt damit EU-Recht. Doch schon beim letzten Atomstreit mit Iran hat sich das Unternehmen an die Strafmaßnahmen gehalten. In Brüssel und Berlin denkt man nun deshalb über Alternativen nach. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat sogar eine „europäische Swift“ vorgeschlagen. Die EU müsse zu einer tragenden Säule der internationalen Ordnung werden, forderte Maas im Handelsblatt. Dazu sollte gehören, „dass wir europäische Autonomie stärken, indem wir von den USA unabhängige Zahlungskanäle einrichten (…) und ein unabhängiges Swift-System aufbauen“. Doch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) steht auf der Bremse. Die Idee sei gut, doch sie lasse sich kaum umsetzen.

Zur Begründung verweist Merkel auf das sogenannte Swift-Abkommen, das die EU 2009 mit den USA abgeschlossen haben. In dem geheimnisumwitterten Deal verpflichten sich die Europäer, den US-Geheimdiensten Zugang zu den Bankdaten zu gewähren, um Terror-Finanziers auf die Spur zu kommen. Diese Kooperation sei „extrem nützlich und hilfreich“, so Merkel, deshalb dürfe man an Swift nicht rütteln.

Allerdings gab es schon 2009 Bemühungen, den USA den Zugriff zu entziehen. Swift richtete dafür sogar eigens ein Rechenzentrum in der Schweiz ein. In der neutralen Alpenrepublik, so das Kalkül, wären die Daten dem Zugriff der amerikanischen Fahnder entzogen. Doch Merkel und die EU ließen sich von den USA unter Druck setzen – und knickten ein. Sie setzen das Swift-Abkommen am Ende sogar gegen erbitterten Widerstand des Europaparlaments durch.

Deshalb kommt Maas’ Vorschlag um Jahre zu spät. Die EU hätte schon 2009 ihre Unabhängigkeit von den USA sichern können – aber sie hat diese Chance versäumt. Selbst wenn die Europäer jetzt versuchen sollten, ein eigenes Zahlungssystem aufzubauen, würde es wohl noch Jahre dauern, bis es Swift ersetzen könnte. Umso dringlicher wird nun der Streit um Iran. Die USA üben bereits großen Druck auf Swift aus, um das Land vom internationalen Zahlungsverkehr auszuschließen. Die Pressionen erfolgen allerdings noch nicht direkt, sondern auf Umwegen – zum Beispiel über den Großkunden Deutsche Bank, der auf Dollar angewiesen ist und sich den US-Sanktionen kaum verweigern kann. Kanzlerin Merkel weiß dies nur zu gut. Auch deshalb dürfte Maas’ Vorstoß ins Leere gehen.