„Sachsen steht mittlerweile für die hässliche Seite“

Für Firmen ist, was in Chemnitz passiert, ein Super-GAU, meint Judith Borowski

Foto: nomos

Judith Borowski,

49, ist seit 2004 Geschäfts­führerin von Nomos Glashütte. Das Unternehmen beschäftigt rund 300 MitarbeiterInnen. Borowski kommt vom Bodensee, hat aber viele Jahre in Dresden und Leipzig verbracht.

Interview Tanja Tricario

taz am wochenende: Frau Borowski, Sie sind Geschäftsführerin von Nomos, einem Unternehmen mit Sitz in Glashütte, das weltweit hochwertige Uhren exportiert. Was tun Sie im Kampf gegen rechts?

Judith Borowski: Wir haben ausländische, homosexuelle und behinderte Mitarbeiter, und wir haben auch die Pflicht, auf diese Menschen aufzupassen. Der Belegschaft bieten wir derzeit Seminare an, wie man mit Pegida und Rechten umgehen kann. Wir wollen aufklären, was hinter deren Parolen steht. In der Region ist unsere Haltung bekannt, dass wir uns gegen Nazis stellen. Das tun wir für die Belegschaft, aber auch für den Ruf unseres Unternehmens. Wenn wir unsere Weltoffenheit verspielen, haben wir auch ein wirtschaftliches Problem.

Welche Reaktionen bekommen Sie?

Wir werden vor allem über die sozialen Medien immer wieder angefeindet und bedroht. Besonders um die Zeit des Bundestagswahlkampfs. In Glashütte, unserem Pro­duk­tions­stand­ort, hat die AfD rund 40 Prozent erzielt. Und das, obwohl die Arbeitslosigkeit bei nahezu null Prozent liegt. Schlimmes ist uns zum Glück noch nicht passiert. Manche Hassposts haben wir öffentlich gemacht. Wir rechnen aber damit, dass es vor den Landtagswahlen im kommenden Jahr wieder mehr Angriffe geben wird.

Das heißt, die aktuellen Geschehnisse in Chemnitz haben Sie nicht überrascht?

Nein, diese Stimmung braut sich seit einer Weile zusammen. Offenbar ist man sich einig, dass Menschen mit Mi­gra­tions­hin­ter­grund der Sündenbock für alles sind, was im eigenen Leben schiefgelaufen ist. Das ist die Meinung der Straße in Chemnitz. Was mich überrascht hat, ist die Heftigkeit der Aggression und die Gewaltbereitschaft.

Haben Sie solche Erfahrungen auch in Ihrem Unternehmen gemacht?

Dass auch unsere Mitarbeiter AfD wählen oder mit rechtem Gedankengut sympathisieren, glaube ich eher nicht, kann ich aber nicht ausschließen. Vor Jahren schon hat ein Mitarbeiter eine CD mit rechtsradikalem Liedgut im Lieferwagen vergessen. Das war für uns ein Kündigungsgrund und ist nicht hinnehmbar.

Die Bilder aus Sachsen gehen nun um die ganze Welt. Wie groß ist der Schaden für den Wirtschaftsstandort Sachsen?

Das ist der Super-GAU, und der Freistaat Sachsen muss dringend reagieren. Für uns ist es natürlich ein Problem, wenn wir Post aus den USA von besorgten Kunden bekommen, die wissen wollen, ob ein Nazi ihre Uhr montiert hat. Sachsen steht mittlerweile für die hässliche Seite Deutschlands. Natürlich gibt es auch Menschen, die anders ticken, aber ihre Stimme ist zu leise. Pegida und die AfD haben in Sachsen die Macht übernommen – und das vor der Landtagswahl 2019.

Was muss jetzt passieren? Wir brauchen klare Worte vor allem aus der Politik. Aber es ist auch die Pflicht eines jeden Bürgers, sich gegen rechts zu stellen. Die Grenze ist bei Weitem überschritten.