Hertha sorgtfür Euphorie

Beim 4:2 Sieg gegen Gladbach begeistert der Bundesligist am Samstag – und stürmt sogar kurzzeitig an die Tabellenspitze

Der überragende Dilrosun wirbelte die rechte Seite der Gladbacher durcheinander

Die Kurzzeit-Tabellenführung von Hertha BSC sorgt für Euphorie beim Hauptstadtclub. Mit begeisterndem Offensivfußball und Rekorden erinnern die Berliner nicht nur ihren Coach an frühere Zeiten. Zum Ende der Englischen Woche steht nun ein besonderes Spiel an. Denn Hertha ist der erste Bayern-Jäger.

Im Überschwang der Euphorie nehmen zumindest die Fans der Berliner die Rolle als Verfolger der übermächtigen Münchner schon gerne an. „Deutscher Meister Hertha BSC“, skandierten die Anhänger des Hauptstadtclubs glückselig nach der 4:2-Gala über Borussia Mönchengladbach am Samstagnachmittag. Der beste Saisonstart der Vereinsgeschichte erinnert nicht nur langjährige Beobachter an längst vergessene Glanzmomente. „Es war wie damals zu meiner Zeit“, schwärmte Coach Pál Dárdai beim Training am Sonntag. „Als wir in der ersten halben Stunde den Gegner fast auseinandergenommen haben. Das macht Spaß, auch den Fans.“

Fußball-Deutschland wundert sich vor der Englischen Woche mit Schlüsselduellen bei Werder Bremen am Dienstag und dem FC Bayern am Freitag über die neue Stärke des Hauptstadtclubs. War Hertha unter Dárdai lange für kompakten, eher wenig attraktiven und defensiv orientierten Fußball bekannt, überraschten die Berliner nun auch den Club vom Niederrhein mit offensiver Finesse. „Wir wollten es spielerisch lösen, nicht kämpferisch“, erläutert Dárdai den neuen Ansatz.

Zehn Punkte aus den ersten vier Spielen holte Hertha in der Bundesliga noch nie, durfte sich zumindest drei Stunden lang vor dem Bayern-Sieg beim FC Schalke 04 über die Spitzenposition freuen. „Dieses Jahr strebt jeder nach mehr, das sieht man. Wir sind fit und heiß“, sagte WM-Teilnehmer Marvin Plattenhardt. Und die kurzzeitige Tabellenführung? „Wenn wir so weitermachen, können Sie mir die Frage am Ende der Saison noch mal stellen.“

Die Kombination von älteren, erfahrenen Spielern wie Kapitän Vedad Ibisevic (34), Salomon Kalou (33) und Torwart Rune Jarstein (33) sowie jungen Talenten um Arne Maier (19) und den Neuzugängen Javairo Dilrosun (20) und Marko Grujic (22) bietet Hertha eine ungekannte Flexibilität. Dazu sorgte Ondrej Duda (23) mit seinem vierten Tor im vierten Saisonspiel mit dem Schlusspunkt gegen überforderte Gladbacher für eine weitere Bestmarke des Hauptstadtclubs.

„Momentan ist das einfach eine gute Mischung. Man sieht, dass die Jungs Qualität haben“, lobte Doppel-Torschütze Ibisevic die zahlreichen Youngster im Team. So wirbelte der überragende Dilrosun in seinem erst zweiten Bundesligaspiel die komplette rechte Seite der Gladbacher immer wieder durcheinander, legte das zwischenzeitliche 2:1 für Valentino Lazaro auf. „Er ist stark im Eins-gegen-eins, ein Straßenfußballer, dynamisch – so einen Spieler hatten wir nicht im Kader oder in der Akademie“, sagte Dárdai über die Neuverpflichtung aus der U23 von Manchester City.

Einzig die Verletzung von Grujic trübt das Berliner Hochgefühl. Durch das harte Einsteigen von Gladbachs Patrick Herrmann zog sich der Leihprofi vom FC Liverpool einen Bänder- und Kapselriss im Sprunggelenk zu und wird lange fehlen. „Seine Verletzung ist schmerzhaft. „Seitdem ich bei Hertha bin, ist es der erste Ausnahmespieler im Mittelfeld. Er drückt dem Spiel den Stempel auf“, betonte der Coach und rechnete bei Sky am Sonntagmittag mit einer Ausfallzeit von „sieben, acht Wochen bis zu drei Monaten“.

Da Hertha an diesem Dienstag die erste Bundesliga-Partie des fünften Spieltags bestreitet, reicht schon ein Punkt bei Werder Bremen zur erneuten Kurzzeit-Tabellenführung. Zuletzt standen die Berliner nach dem Auftakt der Saison 2013/14 zum Ende eines Spieltags an der Spitze – dies könnte mit einem Coup gegen den FC Bayern am Freitagabend beim Heimspiel im Olympiastadion erneut gelingen. So weit wie seine Fans will Dárdai aber noch nicht denken: „Wenn es am Ende eine schöne Platzierung wird, Vierter, Fünfter, Sechster – sind wir alle zufrieden.“ Florian Lütticke, dpa