Psst: unbequeme Presse

In Österreich soll die Polizei einige Medien nur noch eingeschränkt informieren, schreibt das Innenministerium in einer E-Mail. Bundeskanzler Kurz widerspricht

„Kurier“-Leser in einem Wiener Kaffeehaus Foto: Daniel Biskup/laif

Von Ralf Leonhard

Österreichs Innenministerium hat die Polizei in einer internen E-Mail „angeregt“, die Kommunikation mit „kritischen Medien“ auf „das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken“. Das Ministerium von Herbert Kickl (FPÖ) hatte das Schreiben am Montag an die Pressestellen gesendet.

Namentlich werden die Tageszeitungen Der Standard und Kurier sowie die Wochenzeitung Falter genannt, die durch „sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI beziehungsweise die Polizei“ aufgefallen seien. Der Falter deckt immer wieder Skandale in der Exekutive auf. Der Standard berichtet regelmäßig über FPÖ-Politiker, die in sozialen Medien durch Nazi-Nostalgie auffallen.

Den unbequemen Medien solle man „nicht noch Zuckerln“ wie zum Beispiel Exklusivbegleitungen ermöglichen. Gelobt wird der Privatkanal ATV, der ab Januar in der Serie „Live PD“ Zuschauer*innen den Polizeialltag nahebringen will. „Jede Folge wird abgenommen und geht erst nach positiver Abnahme auf Sendung. Es handelt sich dabei um imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Themen im Studio von uns bestimmt werden können.“

Kickl wünscht sich also Propagandainstrumente, die seine Taten und die der Polizei preisen. Eine weitere Passage der Email, deren Existenz vom Ministerium bestätigt wurde, verrät, dass es bei der Arbeit der Pressestellen auch darum geht, die Angst vor Ausländern zu schüren: Künftig sollen in Pressemitteilungen über Straftaten die Staatsbürgerschaft und der Aufenthaltsstatus von Verdächtigen explizit genannt werden. Besonders Sexualdelikte seien verstärkt zu kommunizieren: „Vor allem Taten, die in der Öffentlichkeit begangen werden, besondere Modi Operandi (zum Beispiel Antanzen) aufweisen, mit erheblicher Gewalteinwirkung oder Nötigungen erfolgen oder wenn zwischen Täter und Opfer keine Verbindung besteht.“ Diese Informationen sollten auch „proaktiv ausgesendet“ werden, heißt es.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kritisierte das Innenministerium. Er sprach sich gegen die Ausgrenzung bestimmter Medien aus. „Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel“, sagte er am Dienstag in New York.

Von Trumps Fake-News-Vorwurf ist das nur noch Nuancen entfernt

Kurzs Regierung hat von Anfang an auf lückenlose „message control“ geachtet: Sie versucht, die Themen der Berichterstattung vorzugeben. Der gewünschte Spin wird bei der Präsentation von neuen Projekten gleich mitgeliefert. Selbst Fotos steuern die Ministerien so weit wie möglich. Kurz lässt auf Auslandsreisen nur offizielle Fotografen an sich heran.

Das Innenministerium beeilte sich nach ersten empörten Kommentaren am Montagabend klarzustellen, es handle sich lediglich „um Anregungen und Kommentare ohne jeden Verbindlichkeits- oder gar Weisungscharakter“. Autor sei Pressesprecher Christoph Pölzl. Minister Kickl sei „weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mitteilung“. Dass Pressesprecher eigenmächtig so detaillierte Empfehlungen geben, ist unüblich und wenig glaubwürdig. Für Medienverantwortliche spricht aus dem Rundschreiben eine neue Qualität der Medienkontrolle. Vom Fake-News-Vorwurf Donald Trumps ist diese Unterscheidung zwischen „guten“ und „bösen“ Medien nur noch Nuancen entfernt.

In seiner Stellungnahme wiederholt das Ministerium, dass „der Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist“. So habe etwa Der Standard kommentiert: „Innenminister Kickl greift die Medienfreiheit frontal an“. Dadurch werde „eindeutig der Eindruck erweckt, diese Empfehlungen würden persönlich vom Innenminister stammen und/oder seien zumindest in seinem Auftrag geschrieben worden“.