Rede der britischen Premierministerin: Brexit-Gespräche auf Eis

Nach dem Eklat auf dem EU-Gipfel spricht Theresa May von einer „Sackgasse“. Brexit-Hardliner fühlen sich ihrem Ziel so nahe wie nie.

Die britische Premierministerin Theresa May spricht

Theresa May fordert von der EU Respekt ein Foto: dpa

Die Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU über den britischen Austritt sind bis auf Weiteres festgefahren. Nachdem EU-Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstag auf dem EU-Gipfel in Salzburg die Brexit-Pläne der britischen Premierministerin Theresa May als „undurchführbar“ zurückgewiesen hatte, konstatierte May bei einer kurzfristig angesetzten Fernsehansprache in London am Freitagnachmittag, man befinde sich in einer „Sackgasse“. Sie kündigte intensivere Vorbereitungen auf einen Brexit ohne Vereinbarung an.

Grimmig sagte May, sie habe die EU bislang „ausschließlich mit Respekt behandelt: Das Vereinigte Königreich erwartet das Gleiche. Es sei „nicht akzeptabel“, in Verhandlungen Vorschläge zurückzuweisen, ohne Gründe zu nennen oder Gegenvorschläge zu machen. „Wir müssen von der EU hören, was ihre Alternativen sind. In der Zwischenzeit können wir keinen Fortschritt machen.“

Britische Zeitungen hatten am Freitag einmütig den EU-Gipfel von Salzburg als „Erniedrigung“ für May bezeichnet. Die EU hatte dort den sogenannten Chequers Plan der Premierministerin endgültig zurückgewiesen, weil er auf einen Verbleib Großbritanniens im EU-Binnenmarkt allein im Warenverkehr hinauslaufe. Der Binnenmarkt sei „unteilbar“, heißt es immer wieder. Mays Plan war im Juli auf einer Kabinettsklausur erarbeitet worden; wegen ihm waren die Brexit-Hardliner Boris Johnson und David Davis aus der Regierung zurückgetreten.

Britische Zeitungen hatten am Freitag einmütig den EU-Gipfel von Salzburg als „Erniedrigung“ für May bezeichnet

Aus Mays Sicht ist ihr Plan aber die einzige Möglichkeit, dass Großbritannien den Binnenmarkt und die Zollunion der EU verlässt, ohne dass neue Grenzkontrollen an der zukünftigen EU-Außengrenze zwischen Nordirland und der Republik Irland eingeführt werden müssen. Der Vorschlag der EU, stattdessen Nordirland im EU-Binnenmarkt zu belassen und Grenzkontrollen zwischen Nordirland und Großbritannien einzuführen, ist wiederum für May als Spaltung des Vereinigten Königreiches inakzeptabel.

„Keine Seite sollte von der anderen das Inakzeptable verlangen“, sagte May. Damit stellte sie die britische Ablehnung der Nordirland-Vorschläge der EU und die EU-Ablehnung der britischen Handelspläne auf eine Stufe, was die Möglichkeit andeutet, dass sie von ihrem „Chequers Plan“ – für den es ohnehin keine Mehrheit im britischen Parlament gäbe – wieder abrückt.

Innerhalb der regierenden Konservativen gilt ein solcher Rückzieher als einzige Chance für May, den bevorstehenden Jahresparteitag übernächste Woche zu überstehen. In der Partei mehrten sich zuletzt die Aufrufe, gegenüber der EU härter aufzutreten. Die Ansprache vom Freitag trägt diesem Wunsch Rechnung. „Ich werde das Ergebnis des Referendums nicht rückgängig machen, und ich werde mein Land nicht aufspalten“, sagte sie zum Abschluss an die EU gerichtet: „Wir brauchen ernsthaftes Engagement. Wir stehen bereit.“

Nach gültigem Zeitplan verlässt Großbritannien die EU am 29. März 2019, unabhängig davon, ob es eine Austrittsvereinbarung mit der EU gibt oder nicht

Nach gültigem Zeitplan verlässt Großbritannien die EU am 29. März 2019, unabhängig davon, ob es eine Austrittsvereinbarung mit der EU gibt oder nicht. Ohne Vereinbarung sähe sich Großbritannien nicht mehr zur Erfüllung seiner mit der EU vereinbarten ausstehenden finanziellen Verpflichtungen in Höhe von rund 45 Milliarden Euro verpflichtet, und es gäbe auch keine Übergangszeit bis Ende 2020, in der bestehende Regeln weitergelten, während neue entstehen.

Brexit-Hardliner, die einen schnellen, klaren Bruch wünschen, hoffen daher auf ein Scheitern der Gespräche. Ihr Wortführer, der konservative Abgeordnete Jacob Rees-Mogg, lobte am Freitagnachmittag Mays „Entschlossenheit“. Labour-Oppositionführer Jeremy Corbyn hingegen lehnte einen Brexit ohne Vereinbarung ab und warf sowohl London als auch Brüssel „politische Spielchen“ vor. Die EU-freundlichen Liberalen verlangten eine Sondersitzung des Parlaments.

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