Torben Becker
sichtet die sozialen Bewegungen der Stadt
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Nach Freud bedeutet Verdrängung, Dinge aus der bewussten Wahrnehmung auszuschließen. Auch in der Politik kann dieser psychologischer Abwehrmechanismus beobachtet werden: weg von der Agenda, was niemanden interessiert. Jedoch fürchten neben bereits marginalisierten Bevölkerungsgruppen immer mehr Menschen, zu diesem niemand gemacht zu werden. In Wohn-, Sozial- oder Integrationspolitik stellt sich die Frage: Wer wird berücksichtigt? Diese Exklusivfrage – der Ausschluss – provoziert vielfältigen Widerstand. Menschen finden sich auf Straßen und Organisationen zusammen, um für ihre Anliegen eine politische Durchschlagkraft zu etablieren. Sie wollen ihre Verdrängung aus Diskursen verdrängen oder zumindest verschieben. In dieser Woche wird das Spannungsverhältnis zwischen Verdrängten und Verdrängenden auf die Straße getragen.

Der Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg gilt als Sinnbild für Gentrifizierung. Schmucke Häuserfassaden und abgeblätterte Gründerzeit wurden auf Hochglanz renoviert. Dort zu wohnen, können sich viele nicht mehr leisten. Doch diese Vielen fordern einen gleichberechtigten Zugang zum Wohnungsmarkt, keine Einkommens- und Klassenpolitik. Deshalb findet im Kollwitz- und Helmholtzkiez ein Protest mit der Forderung für mehr soziale Wohnungspolitik, für echten Milieuschutz und gegen „den Ausverkauf der Stadt“ statt (28. 9, Senefelder Platz, 16 Uhr). Ebenso ist das anarcha-queer-femnistische Hausprojekt Liebig34 in Friedrichshain von Verdrängung bedroht. Dem aktuellen Hausbesitzer ein Dorn im Auge, soll es geräumt werden. Für den Erhalt dieses einzigartigen Freiraums wird am Samstag demonstriert (29. 9, Wismarplatz, 18 Uhr).

Längst sind von der Exklusion nicht nur die angesagten Stadtviertel innerhalb des Rings betroffen. Auch in der Gropiusstadt steigen die Mieten. Dort, wo viele Menschen von staatlichen Hilfen abhängig sind, Armut Alltag ist und Renten nicht ausreichen. Sie rufen mit einer Kundgebung zur Solidarität gegen weitere Ausgrenzungen auf (29. 9., Lipschitzplatz, 14 Uhr).

Am Mittwoch sollen die von der Straße verdrängt werden, denen Verdrängung auf Kosten von Schwächeren besonders am Herzen liegt: Nazis. Die rechtsextreme Organisation „Wir für Deutschland (WfD)“ plant am Mittwoch einen Aufmarsch durch Mitte unter dem Motto „Tag der Nation. Doch Anwohner*inneninitiativen und Bündnisse rufen zum kreativen Gegenprotest auf, denn für Nazis hat Berlin nun wirklich keinen Platz (3. 10. Friedrichstraße/Johannisstraße, 14 Uhr).