Datenschützerin über Patienten-Apps: „Nicht mit Gesundheit spielen“

Krankenkassen wollen per App Gesundheitsdaten austauschen. Rena Tangens sagt, dass zentrale Problem dabei ist, dass dafür Smartphones verwendet werden.

Auf einem Tisch liegt eine Krankenakte, dadrauf liegt ein Stethoskop von einem Arzt

Keine Zettelwirtschaft mehr: Daten aus den Krankenakten sollen per App zugänglich werden Foto: imago/Westend61

taz: Frau Tangens, die Digitalisierung des Gesundheitswesens schreitet voran. Ist das gut?

Rena Tangens: Es ist wünschenswert, dass die PatientInnen Zugang zu ihren Gesundheitsdaten bekommen. Aber die Angebote, die bisher auf dem Markt sind, sind unzureichend.

Warum?

Tangens: Zentrales Problem ist, dass die Gesundheitsdaten vom Smartphone abgefragt werden sollen. Es wird zwar damit geworben, dass nur die Patienten selbst Zugriff haben, und es gibt eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Tatsächlich ist es aber so, wenn ich Zugang zu den Daten über das Smartphone bekommen kann, ist das auch für Arbeitgeber und andere Dritte möglich. Der Chef könnte vor einer Personalentscheidung nach den Gesundheitsdaten fragen und seine Wahl auch danach treffen. Wer seine Krankenakte nicht zeigt, kommt nicht in die engere Auswahl.

Ein starker Raucher könnte gezwungen sein, seine Daten offenzulegen, um zu zeigen, dass er ganz gesund ist?

Das hat etwas mit Machtverhältnissen in der Gesellschaft zu tun. Ein Chef kann den Bewerber zwar nicht zwingen, aber er kann Druck ausüben. Auch Versicherer haben großes Inter­esse an diesen Informationen. Etwa wenn es um den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung geht. Die Konditionen könnten – unabhängig vom tatsächlichen Gesundheitszustand – teurer werden, wenn jemand seine Krankenakte nicht offenlegt.

Wie gut ist der Schutz technisch?

Gesundheitsdaten via Smartphone zugänglich zu machen halte ich für unverantwortlich. Schadsoftware, sogenannte Trojaner, können Sicherheitslücken in der IT ausnutzen und einen Komplettzugriff bekommen. Dabei ist es möglich, dass jeder Tastendruck aufgezeichnet und jede Anzeige auf dem Bildschirm mitgeschnitten und irgendwo anders hingeschickt wird. Dagegen hilft auch keine PIN und kein komplexes Passwort.

ist Künstlerin und Datenschützerin. Sie hat die Initiative Digitalcourage gegründet und ist darin im Vorstand vertreten.

Überwachung, Missbrauch, Datenhandel sind berechtigte Einwände. Aber profitieren nicht auch Patienten von der digitalen Akte?

Das bestreite ich nicht. Aber wir sollten unbedingt über den Tellerrand schauen und nicht nur an unsere eigene Bequemlichkeit denken. Es geht nicht mehr nur um digitale Akten, die Angebote gelten längst als Gesundheitsplattform, die sämtliche Daten über uns sammeln und weiterleiten. Zum Beispiel, wenn ich joggen gehe und einen Fitnesstracker nutze. Im Moment habe ich die Wahl, ob meine Daten an meine Krankenversicherung weitergeleitet werden. Dies könnte anders werden. Bin ich fit genug? Wie viel Schlaf bekomme ich? All diese Infos könnten zusammengeführt werden. Das würde unser Leben komplett verändern.

Wie könnten wir vor allem die Vorteile der Gesundheits-Apps nutzen?

Denkbar wäre ein separates, extra abgesichertes Gerät. Denn mit unserer Gesundheit sollten wir nicht spielen.

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