Kinostart „Being Mario Götze“: Aufstieg und Fall des Mario G.

Der Dokumentarfilm „Being Mario Götze“ von Aljoscha Pause erzählt, was aus dem WM-Helden nach dem Triumph von Maracanã wurde.

Jürgen Klopp umarmt Mario Götze

Dreamteam: Jürgen Klopp, Mario Götze zu seligen BVB-Zeiten (Still aus dem besprochenen Film) Foto: mindjazz

Es ist der 13. Juli 2014, 18.25 Uhr Ortszeit, Maracanã-Stadion, Rio de Janeiro. Flanke André Schürrle von links, Brustannahme Mario Götze am Fünfmeterraum, Volleyabnahme ins lange Eck: drin. Eins-null Deutschland. Es ist ein Moment, der hierzulande gut vier Jahre später einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis haben wird. Denn sieben Minuten später hat das deutsche Team Argentinien besiegt und ist Weltmeister. Erstmals seit 24 Jahren.

Aus Mario Götze, der Verheißung des deutschen Fußballs, wird in diesem Augenblick Mario Götze, der Erlöser des deutschen Fußballs. Der Siegtorschütze ist auf dem Gipfel einer Karriere angelangt, in der es bis dato nur steil nach oben ging. Gipfeliger als hier, in Maracanã, an diesem Abend, geht es für einen Sportler nicht. Dabei ist Mario Götze gerade erst 22 Jahre alt.

Wäre dessen Karriere danach ähnlich verlaufen wie die seines Widersachers im Finale, Lionel Messi, ein Film über Götze hätte wohl ein langweiliges Heldenepos abgegeben. Aber es kam anders.

So beschreibt „Being Mario Götze“, der neue Film von Regisseur Aljoscha Pause („Tom meets Zizou“, 2011, „Trainer!“, 2013), vor allem, was Götze in den vier Jahren danach erlebte: Die Formschwächen, die wiederkehrenden Verletzungen, die fehlende Konstanz, das Hadern mit seinem Image – all dies bestimmt bis zum heutigen Zeitpunkt die Karriere des BVB-Profis. Es ist die Fallhöhe, die „Being Mario Götze“ so interessant macht.

Männersache

Mit ziemlichem Bohei ist dieser Film angekündigt worden. Er ist im Auftrag des jungen Fußballkanals DAZN (sprich „Da Zone“) entstanden. Mit dem heutigen Kinostart sollen wohl auch für den deutschen Markt noch ein paar Neuabonnenten geworben werden, schließlich hat DAZN seit Kurzem die Champions-League-Rechte für Deutschland inne.

„Being Mario Götze“, Dokumentarfilm D 2018, 136 Min., R: Aljoscha Pause, D: Mario Götze, Jürgen Klopp, Oliver Bierhoff u.a.

Der Film kommt am 18. Oktober in die Kinos.

Pauses Film ist eine klassische Sportdokumentation ohne größere Überraschungen, der Regisseur lässt sehr viele wichtige Personen aus dem Umfeld Götzes – Vater Jürgen, die Brüder (und Fußballspieler) Fabian und Felix, Jürgen Klopp, Matthias „Welterklärer“ Sammer, Jogi Löw, Reporter – zu Wort kommen.

Götze schien nach außen zu glatt, zu perfekt, wie ein Play-Station-Fußballer

Und es gibt jede Menge O-Ton Mario Götze – oft ist er in seinen eigenen vier Wänden zu sehen, wo er zwischen Fitnesstraining, Meditation und Gang zum Kühlschrank interviewt wird. Es reden, das sei angemerkt, nur Männer über Fußball, seine Frau Ann-Kathrin Brömmel ist mit einer ganz kurzen Sequenz da die Ausnahme.

Schockstarre

Der Film steigt mit besagtem WM-Tor ein und erzählt von da an chronologisch bis in die Gegenwart. Die Zeit des rasanten Aufstiegs beim BVB vor 2014 wird in Rückblenden erzählt. Und damit auch Karriere­schnitte wie der Wechsel zu Bayern München 2013, der ganz Dortmund in Schockstarre versetzt hat.

Dieser Wechsel (damals pünktlich zum Cham­pions-League-Halbfinale des BVB lanciert) und seine spätere Vorstellung bei der ersten Pressekonferenz in München (wo Götze als Nike-Werbefigur reüssierte) waren der Grund dafür, dass er trotz seiner irren Fähigkeiten nie als Sympathieträger taugte. Er hat nicht mal richtig polarisiert wie etwa Cristiano Ronaldo. Götze schien nach außen zu glatt, zu perfekt, irgendwie unnahbar wie ein Play-Station-Fußballer. In Interviews floskelte er das Gleiche vor sich hin wie all die anderen Profis.

Einerseits schafft es „Being Mario Götze“, dieses Bild etwas zu entzerren. Man sieht da einen klugen, reflektierenden jungen Mann, der über sein Image sinniert. Einen Mann, der manchmal nicht glauben kann, wie die Medienmaschinerie funk­tioniert („Jeder Spieler, der sagt, mir ist das egal, ist nicht zu hundert Prozent ehrlich zu sich selbst“). Einen Mann, der durch und durch Leistungssportler ist und die Karriereentscheidung, damals zu Bayern zu gehen, verteidigt („Man hat nur 10, 15 Jahre im Profifußball“). Und der in der Lage ist, seine Situation sachlich und klar zu analysieren.

Andererseits kommen die Marketingfigur Mario Götze und die Kritik an seiner Person viel zu kurz. Seine Social-Media-Aktivitäten werden besprochen, er wird auch zu einem Fotoshooting für die Zeitschrift Men’s Health begleitet. Aber dass man ausgerechnet bei Götze gar nicht über seine Funktion als Werbeträger spricht, ist ein Manko. Zudem kommen – das ist die größere Leerstelle – Kritiker seiner Person nicht wirklich vor.

Für seine Situation nach dem WM-Finale 2014 gibt es gute Erklärungen, das ja. Aber Kontrapunkte setzt der Film kaum. Zudem könnte die kitschig-dramatisierende Musik kaum klischeehafter sein. Als Biografie eines Spitzensportlers funktio­niert „Being Mario Götze“, an Distanz seinem Gegenstand gegenüber fehlt es aber zuweilen.

Am 15. Mai gab Bundestrainer Jogi Löw in Dortmund den vorläufigen Kader für die WM 2018 in Russland bekannt. Nachvollziehbar, dass Pauses Film damit schließt. 27 Namen zählen zu diesem erweiterten Kader. Der Name Mario Götze fehlt.

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