Polens Opposition verteidigt die Großstädte

Bei den Kommunalwahlen erhält die nationalpopulistische Regierungspartei PiS zwar die Mehrheit der Stimmen. Doch auch in ländlichen Gebieten reicht das oft nicht zum Regieren

Patryk Jaki, Kandidat der PiS in Warschau, bei einem Wahlkampf­auftritt im September Foto: Kacper Pempel/reuters

Aus Warschau Gabriele Lesser

Echter Jubel sieht anders aus. Zwar freuten sich Polens Natio­nalpopulisten von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die seit 2015 die Regierung in Warschau stellen, über die Mehrheit der Stimmen bei den Kommunalwahlen.

Doch in den meisten der 16 Woiwodschafts-Parlamente werden sie dennoch das Ruder nicht übernehmen können. Denn nötig wäre eine Koalition. Mit ihrer aggressiven Wahlkampagne verprellte die PiS aber bereits vor der Wahl am Sonntag alle potentiellen Koalitionspartner. Władysław Marcin Kosiniak-Kamysz, der Vorsitzende der Bauernpartei PSL, stöhnte: „Auf gar keinen Fall gehen wir eine Koalition mit der PiS ein!“ Je später der Abend wurde, desto länger wurden die Gesichter in den PiS-Wahlstäben.

Zudem konnte die PiS ihr selbst gestecktes Hauptziel nicht erreichen: der liberalkonservativen und zum Teil auch linken Opposition keine einzige Großstadt abspenstig machen. In Warschau gelang es Rafal Trzaskowski sogar, den Posten des Stadtpräsidenten im ersten Wahlgang zu gewinnen. Hinter ihm stand die Staatsbürger-Koalition aus Bürgerplattform (PO) und Moderne (N). Trotz des Reprivatisierungsskandals in der Stadt, den die bisherige Stadtpräsidentin Hanna Gronkiewicz-Waltz von der PO zu verantworten hat, wählten die Warschauer erneut und mit großer Mehrheit einen PO-Politiker.

Dubiosen Immobilienhändlern und Anwälten gelang es über Jahre hinweg zusammen mit korrupten Stadtangestellten, viele im Kommunismus verstaatlichte Häuser „zurückzubekommen“. Das Ausmaß des Milliardenbetrugs hatten zwei Gegenkandidaten zu Trzaskowski aufgedeckt und zu ihrem Kampagnenthema gemacht: Patryk Jaki von der PiS und Jan Spiewak von einer Stadt-Initiative. Das Wahlergebnis zeigt nun aber, dass den Warschauern vor allem an einer effektiven Verwaltung gelegen ist.

Eine zweite große Überraschung gab es in Lodz. In der drittgrößten Stadt Polens holte die bisherige Stadtpräsidentin Hanna Zdanowska mit über 70 Prozent das höchste Ergebnis im Lande. Dazu beigetragen hatte auch hier die aggressive Kampagne der PiS. Vor gut einem Monat wurde Zdanowska zu einer Geldbuße in Höhe von knapp 5.000 Euro verurteilt, weil sie zugunsten ihres Partners gelogen hatte, um ihm einen Bankkredit zu ermöglichen.

Die Sache liegt lange zurück, der Kredit ist zurückgezahlt, und Schaden ist auch niemandem entstanden. Dennoch behaupteten sowohl der von der Regierung in Warschau eingesetzte Woiwode Zbigniew Rau (PiS) als auch der Vorsitzende eines die Regierung unterstützenden „Ständigen Komitees“ Jacek Sasin (PiS), dass Zdanowska – sollte sie gewählt werden – ihr Amt nicht antreten dürfe, da sie vorbestraft sei. Die PiS-Politiker würden nach der Wahl einen kommissarischen Stadtpräsidenten in Lodz einsetzen. Es sei besser, wenn Zdanowska erst gar nicht antrete.

In den nächsten Tagen wird sich weisen, ob die PiS es wagen wird, in Lodz einen kommissarischen Stadtpräsidenten zu installieren. Sollte dies Waldemar Buda von der PiS sein, dürfte das Proteste auslösen. Denn Buda erhielt gerade mal 24,2 Prozent der Stimmen. Am Ende würden die Gerichte das letzte Wort haben. Sie sind seit den Justiz-„Reformen“ der PiS kaum noch als unabhängig zu bezeichnen, sodass der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof landen könnte. Ob sich das für die PiS auszahlen würde, ist fraglich.

Wie groß in Polen die Kluft zwischen Stadt und Land ist, zeigt auch die einstweilige Anordnung des Europäischen Gerichtshofes gegen Polen kurz vor Ende des Wahlkampfes. Auf den Dörfern interessierte sich kaum jemand dafür, dass Polens Regierung die Zwangsverrentung der Obersten Richter zurücknehmen und die entlassenen Richter wieder einstellen muss. Der massive Umbau des Justizsystems durch die PiS hin zu einer „politischen Justiz“ spielte auf Wahlveranstaltungen keine große Rolle. Wichtiger waren die von der PiS in Aussicht gestellten Gelder aus der Steuerkasse für ländliche Organisationen. Polens Städte sind europa­freundlich. Die einstweilige Anordnung aus Luxemburg dürfte auch ihre Wahlentscheidung beeinflusst haben. Endgültige Ergebnisse werden am Mittwoch- oder Donnerstag vorliegen.

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