Türkischer Fußballstar Arda Turan: Erdoğans Liebling droht die Haft

Arda Turan war erst Hoffnungsträger, dann Kapitän der türkischen Nationalelf. Nach einem Skandal drohen ihm jetzt zwölf Jahre Gefängnis.

Arda Turan

Arda Turan im Trikot des türkischen Nationalteams Foto: Reuters

Im „Gizli Kalsın“ feiern Istanbuls Stars und Sternchen normalerweise ungestört, Diskretion ist das Markenzeichen des angesagten Ladens im noblen Stadtteil Emirgan auf der europäischen Seite der Metropole am Bosporus. „Gizli Kalsın“ heißt übersetzt „Es soll geheim bleiben“, nichts soll nach außen dringen, wenn die Prominenz hier entspannt.

Und dennoch ist nichts geheim geblieben, was sich Anfang vergangener Woche in diesem Klub abgespielt und Arda Turan eine Anklage wegen sexueller Belästigung, unerlaubten Waffenbesitzes und vorsätzlicher Körperverletzung eingebracht hat.

Die Istanbuler Staatsanwaltschaft fordert zwölfeinhalb Jahre Gefängnis für den 31 Jahre alten Fußballstar. Die bizarren Vorfälle bilden den traurigen Tiefpunkt in einer Reihe von Skandalen, in die Turan nach seinem Aufstieg zum besten Fußballer der Türkei verwickelt war.

An diesem verhängnisvollen Dienstag war neben Ardas Entourage auch der in der Türkei berühmte Popsänger Berkay Sahin, 36, mit seiner Frau und Freunden im „Gizli Kalsın“. Laut türkischen Medienberichten entzündete sich ein Streit zwischen Arda und Berkay, nachdem der Fußballer die Frau des Sängers angemacht hatte.

Diese habe ihrem Mann erzählt, Arda habe zu ihr gesagt, wenn er nicht verheiratet sei, könne er nicht an einer Frau wie ihr vorbeigehen. Es kam zu Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten zwischen den beiden Männern, Arda brach Berkay schließlich mit einem Kopfstoß die Nase, worauf der Sänger ins Krankenhaus fuhr. Arda folgte Berkay ins Krankenhaus und wollte diesen – offenbar mit einer Pistole in der Hand – um Vergebung bitten. „Ich wusste nicht, dass das deine Frau war. Töte mich!“, soll Arda zu Berkay gesagt haben. Dieser lehnte diese irre Bitte ab, die beiden stritten weiter und irgendwann soll sich ein Schuss gelöst haben.

Für zehn Spiele gesperrt

Warum, ist nicht geklärt. Fakt aber ist: Arda wurde danach drei Stunden lang von der Polizei verhört, die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen ihn, und Berkay verklagte den Fußballer laut türkischen Zeitungen auf Schmerzensgeld in Höhe von einer Million Türkischer Lira, umgerechnet rund 150.000 Euro.

Ardas Verein İstanbul Başakşehir FK verdonnerte den Profi zu der Zahlung der Rekordstrafe von 2,5 Millionen Lira und behält sich „weitere Strafen vor, solange die juristischen Schritte gegenüber unserem Spieler geprüft werden“. Auch der FC Barcelona bekundete sein Missfallen über das Verhalten von Arda, der vom katalanischen Großklub an den kleinen, regierungsnahen Istanbuler Klub ausgeliehen wurde.

Viele Experten halten eine Rückkehr des trickreichen Linksaußen auf den Rasen in der Türkei nun für unwahrscheinlich. Derzeit büßt der 100-malige Nationalspieler ohnehin eine Sperre von 16 Spielen ab, die auf 10 Partien reduziert wurde. Der zum Jähzorn neigende Star hatte bei einem Spiel in der Süperlig den Schiedsrichter körperlich bedroht.

In seiner Zeit in Spanien warf er einmal einen Schuh nach einem Linienrichter. Offenbar hat Arda seinen Aufstieg zum Superstar nicht verkraftet. Erst wurde er geliebt und verhätschelt, später als neureicher Star verteufelt. In der Bewertung seiner Fußballstars kennt die fußballverrückte Türkei nur die Extreme, mit Kritik können die Stars nur schwer umgehen, immer wieder sind prominente Fußballer in Schlägereien und Skandale verwickelt.

Rücktritt aus der und Rückkehr ins Nationalteam

Arda feierte seinen internationalen Durchbruch bei der EM 2008 in Österreich und der Schweiz, die Türkei scheiterte damals erst im Halbfinale an Deutschland, das Talent von Galatasaray war der gefeierte Ziehsohn von Trainer Fatih Terim. Doch deren Verhältnis ging während der EM 2016 in Frankreich in die Brüche. Arda, mittlerweile Kapitän der Milli Takım, wurde von der Öffentlichkeit und den Fans als Sündenbock für das Vorrundenaus verhöhnt.

Erdoğan, im März noch Trauzeuge Ardas, schweigt bis dato

Damals aber sprang ihm Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan zur Seite und rügte jene, die ihn während der Vorrundenspiele auspfiffen. Erdoğan stand auch dann noch zu seinem Lieblingsspieler, als dieser ein Jahr nach der EM einen Journalisten würgte, der über hohe Prämienforderungen der Spieler während der EM in Frankreich berichtet hatte.

Arda trat daraufhin beleidigt aus der Nationalmannschaft zurück, weil er nicht die Unterstützung von Verband und von Terim spürte. Unter Mircea Lucescu feierte er dann ein umstrittenes Comeback. Der Ruhm stieg diesem Hochtalentierten endgültig zu Kopf, als er von Atlético Madrid zum FC Barcelona wechselte, den Durchbruch aber schaffte er an der Seite Messis nie.

Nun ist es einsam geworden um Arda. Auch Erdoğan, im März noch Trauzeuge Ardas bei dessen schillernder Hochzeit, schweigt bis dato. Dass sich der bekannte TV-Kommentator Rıdvan Dilmen öffentlich von Arda distanzierte, ist kein gutes Zeichen für den tief gefallenen Star. Dilmen gilt als regierungsnah und Mentor der AKP-treuen Kicker um Arda und Stürmer Burak Yılmaz, der bei dem Vorfall im „Gizli Kalsın“ anwesend war.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.