„Es wird mit einer Mogelpackung enden“

Der Künstler John Byrne pflegt einen satirischen Umgang mit der irischen Grenze. Was aber, wenn sie im Zuge des Brexit wieder geschlossen wird?

Der Künstler und sein „Besucher­zentrum“ an der ehemaligen Grenze zwischen Irland und Nordirland Foto: John Byrne

Interview Ralf Sotscheck

taz: Herr Byrne, seit dem Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998, das Nordirland relativen Frieden beschert hat, war es ruhig um die irische Grenze. Im Zuge des Brexit macht sie nun wieder Schlagzeilen und hat bisher eine Einigung zwischen London und Brüssel verhindert. Wird es wieder eine harte Grenze geben?

John Byrne: Wie meistens in der Politik wird es mit einer Mogelpackung enden. Schon das Belfaster Abkommen war eine solche Mogelpackung, weil alle Seiten das Gesicht wahren mussten. Ich glaube nicht, dass es eine harte Grenze geben wird. Das britische Establishment will sie nicht, die unionistischen Geschäftsleute wollen sie nicht, die Mainstream-Politiker sowie die EU auch nicht. Schließlich werden die meisten Waren von Großbritannien nach Nordirland via Dublin importiert.

Aber bei einer offenen Grenze könnten Waren und Menschen doch ungehindert via Republik Irland nach Nordirland und weiter nach Großbritannien gelangen.

Bei einer physischen Grenze bestünde die Gefahr, dass sie attackiert wird. Sie müsste also bewacht werden. Die Soldaten oder Polizisten wären dann Angriffsziele. Bei dem Konflikt ging es ja um die Grenze, um die Teilung der Insel.

Sie sind während des Nordirland-Konflikts in Belfast aufgewachsen, leben aber nun schon mehr als 20 Jahre in Dublin. Trotzdem beschäftigen Sie sich künstlerisch immer noch mit Nordirland. Warum?

Ich war lange in London, und als ich 1996 zurück nach Irland kam, ging ich nach Dublin. Seitdem ist mir meine Herkunft stets bewusst, denn sobald ich meinen Mund aufmache, erkennt man mich als Nordiren, und die Leute denken sofort an den gewaltsamen Konflikt. In London war das anders, da war ich einfach nur Ire, weil sie dort die Dialekte nicht unterscheiden können. Es ist auch eine persönliche Sache. Einige meiner Verwandten sind getötet worden. Ich habe als 17-Jähriger Steine und Molotowcocktails auf Polizisten und Soldaten geworfen, aber ich bin froh, dass ich damals nicht in den bewaffneten Kampf gerutscht bin.

Sie haben im September 2000 eine Art Besucherzentrum für Touristen an der Grenze in einer knapp sechs Quadratmeter großen Steinhütte eröffnet. Über der Hütte leuchtete eine blaue Neontafel mit dem Wort „Border“, innen wurden Ansichtskarten, T-Shirts und Tütchen mit Erde von der Grenze verkauft, es lief ständig ein Video über die irische Grenze seit der Eiszeit. Das war zwei Jahre nach dem Belfaster Abkommen. Damals war die Grenze aber noch sehr real und längst nicht so offen wie heute. Warum also eine Art Museum für die Grenze?

Er wurde 1960 in Belfast geboren und studierte dort Kunst. Mitte der 1980er Jahre besuchte er die Slade School of Art in London. Seit 1996 lebt er in Dublin. Zahlreiche Einzelausstellungen und Theaterstücke in Irland, England, Deutschland etc. In Dublin hängt seit 2004 sein 18 Quadratmeter großes Mosaik „Dublin’s Last Supper“, das zu einer Touristenattraktion geworden ist.

Diese sogenannten Interpretive Centres, in denen Touristen Geschichte und Sehenswürdigkeiten in leicht verdaulichen Häppchen serviert wird, sind eine irische Spezialität. Und es war ja damals nicht klar, wie sich die Sache entwickeln würde. Ich war davon überzeugt, dass die Grenze eine Rolle spielen würde, solange Irland geteilt ist. Wie man nun sieht, habe ich recht behalten.

Auf der Bronzetafel an der Hütte hieß es, die irische Grenze sei eine Partnerschaft mit der koreanischen Grenze eingegangen. Hat das jemand ernst genommen?

In einem Interview mit einer nord­irischen Zeitung sprach ich nicht als Künstler, sondern als Direktor des Besucherzentrums. Ich erzählte von den Plänen, ein großes Gebäude aus Stahl und Glas zu errichten und viel Geld damit zu scheffeln. Das war ein Fehler, denn die Leute aus der IRA-Hochburg Süd-Armagh nahmen das ernst und fanden es gar nicht gut. Man warnte mich, dass man mir an den Kragen wolle. Satire ist sehr nah an der Realität, wenn sie gut ist. In diesem Fall war sie wohl zu gut.

In dem Konflikt sind rund 3.500 Menschen ums Leben gekommen. Manche Menschen können über Ihren satirischen Umgang mit dem Konflikt und der Grenze nicht lachen.

Es hat keinen Sinn, über die Grenze zu lamentieren. Ich hatte beschlossen, mich mit ihr auf satirische Art zu beschäftigen. Viele nahmen mir das übel. Man dürfe so etwas nicht feiern, sagen sie. Das tue ich nicht. Ich bin Anhänger der EU. Ich kenne natürlich die Probleme, die neoliberale Agenda, aber die EU ist gut für Irland. Und es wäre auch gut, wenn Großbritannien in der EU bliebe, denn dann gäbe es weiterhin keine Grenze.

„Satire ist sehr nah an der Realität, wenn sie gut ist. In diesem Fall war sie wohl zu gut“

Diese Möglichkeit besteht aber nicht, die britische Regierung will den Brexit bis Ende März durchziehen.

Die Brexit-Befürworter haben keinen Plan. Darüber bin ich immer wieder verblüfft. Brexit ist das Ergebnis eines tiefgreifenden englischen Nationalismus.

Das mag sein, aber für Wales, Schottland und Nordirland gilt er ja auch.

Schottland wird aus dem Vereinigten Königreich austreten, und die irische Vereinigung wird durch den Brexit beschleunigt.