Neues Flüchtlingsdrama droht

Tausende versuchen von Bosnien aus nach Kroatien zu gelangen. Wer zahlt, hat größere Chancen

Von Erich Rathfelder, Split

Es sind entschlossene Menschen aus Afghanistan und dem Irak, die seit Monaten versuchen, von Bosnien aus nach Kroatien und damit in die EU zu gelangen. Auch am Mittwoch versuchten wieder Dutzende die Grenze zu überwinden, wurden jedoch von bosnischer und kroatischen Polizei zurückgedrängt.

Schon am Dienstag war es zu Rangeleien gekommen, als rund 250 Migranten versucht hatten, die Grenze bei Maljevac zu überqueren. Die Beamten hatten dies verhindert. Zuvor hatte die Polizei nahe Bihać etwa hundert Migranten festgesetzt und am Weitermarsch gehindert.

Es scheint so, also ob sich mittelfristig hier am nordwestlichen Zipfel Bosnien und Herzegowinas ein neues Flüchtlingsdrama entwickeln könnte. Tausende Männer, Frauen, Kinder sollen nach offiziellen Angaben schon da sein. Sie hoffen hier an der Grenze auf ein Weiterkommen in die EU.

Tausende haben es auch schon geschafft. „Wer Geld hat, dem gelingt es schnell, nach drüben zu kommen“, sagt einer. Er muss es wissen, bereits dreimal wurde er schon geschnappt und von der kroatischen Polizei wieder nach Bosnien zurückgeschickt.

„Ich habe allerdings nicht genug Geld“, sagt der Mann, der sich als Syrer ausgibt, aber nach Aussehen und Kleidung eher aus Pakistan stammen dürfte. Wer das Geld hat – und das haben vor allem jene, die bis zum Beginn des Monats als „Iraner“ noch ganz legal vom Iran aus nach Belgrad fliegen durften –, kam also relativ zügig über die Grenze.

Doch nach Auskunft der deutschen Botschaft in Sarajevo ist dieses Schlupfloch jetzt dicht. Die serbische Regierung hat auf die Fragen der EU und Deutschlands reagiert. Was allerdings die Propagandisten der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina nicht davon abhielt, zu behaupten, die Muslime Bosniens ließen die Muslime aus dem Orient ins Land, um eine muslimische Mehrheit zu kreieren.

Wie weit hergeholt diese Propaganda ist, zeigt sich auch daran, dass die gesamte Grenze Bosnien und Herzegowinas nach Serbien und Montenegro durch die serbische Teilrepublik kontrolliert ist.

Aber dieses Gerangel lenkt auch davon ab, dass sich für die hier anwesenden Flüchtlinge eine humanitäre Katastrophe abzeichnet. Die Nächte werden jetzt kalt, die Ruinen, in denen einige hundert nächtigen, sind überfüllt und bieten ohnehin keinen Schutz.

Dem Kanton Bihać entgleitet die Situation. Die Serben wollen den Flüchtlingen nicht helfen und blockieren so die Aktivität des Gesamtstaates. Trotz der schon fließenden Unterstützungsgelder von der EU sind die Behörden der Föderation Bosnien und Herzegowina (kroatisch-bosniakische Föderation) und die des Kantons Bihać mit dem Ansturm komplett überfordert.

Immerhin bringen Bewohner aus Bihać heißen Tee, Lebensmittel und warme Decken zu den Flüchtlingen. Die in österreichischen Zeitungen kursierenden Nachrichen, Bürger von Bihać wehrten sich vehement gegen die Flüchtlinge, sind wohl Fake News.