Das ist kein Kapitalismus

Georg Seeßlen und Markus Metz zufolge wird aus dem Realismus ein Surrealismus und jeder Versuch von Weltbeschreibung zerstört

G. Seeßlen/M. Metz: „Kapitalistischer (Sur)realismus“. Bertz und Fischer, Berlin 2018, 300 S., 18 Euro

Von Jakob Hayner

Mark Fisher prägte 2011 für die neoliberale Ideologie, die sich im Schein der Alternativlosigkeit präsentiert, den Begriff des „kapitalistischen Realismus“. Veränderungen seien nicht mehr denkbar, die Welt funktioniere nur noch als Loop; daher auch die Retro-Moden der Gegenwart.

Markus Metz und Georg Seeßlen nehmen in ihrem neuesten Buch Fishers These auf und spitzen sie zu. In „Kapitalistischer (Sur-)realismus. Neoliberalismus als Ästhetik“ zeigt das Autorenduo, wie gegen­wärtig die Ökonomie ästhetisiert und die Ästhetik ökonomisiert wird. Alles wird der Logik der Warenform unterworfen. Der kapitalistische Surrealismus funktioniert dabei wie René Magrittes Darstellung einer Pfeife mit dem Titel „Ceci n’est pas une pipe“: Das ist kein Kapitalismus (mehr), sagt die neoliberale Ideologie.

Verstärkt wird dies durch die Auratisierung des Alltags und vermeintlich nur aus bloßer Menschenliebe motivierte Sharing Economy. Die ökonomischen Gesetze wirken aber auch dort, wo sie scheinbar außer Kraft gesetzt werden. Versuchte der kapitalistische Realismus noch, eine fatalistische, weil alternativlose Weltbeschreibung zu etablieren, unterläuft und zerstört der kapitalistische Surrealismus jeden Versuch von Weltbeschreibung von vornherein.

Seeßlen und Metz beschränken sich in ihrer Analyse nicht auf Kunst im engeren Sinne, sondern auf ästhetische Phänomene, wie sie etwa in der Werbung vorzufinden sind – ein außerordentlich gelungener Beitrag zur Aufklärung des Unbehagens in der neoliberalen Kultur.