„Freiwillig“ nach Afghanistan?

Linke kritisiert Rückkehrerprogramm – knapp 100 Kinder wurden ohne Eltern zurückgeschickt

Seit 2016 sind 1.257 afghanische Kinder und Jugendliche „freiwillig“ – so der offizielle Begriff – in ihre Heimat zurückgekehrt. Von ihnen waren 94 unbegleitet, also ohne Eltern oder Angehörige, wie das Bundesinnenministerium auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag antwortete. 650 dieser Rückkehrer waren zwölf Jahre alt oder jünger. Über die Zahlen hatten zunächst die Zeitungen der Funke-Mediengruppe berichtet.

Allerdings waren die Zahlen zuletzt rückläufig. So kehrten im ersten Halbjahr dieses Jahres nur 36 Kinder und Jugendliche im Rahmen des deutschen Rückkehrförderprogramms REAG/GARP zurück. Das Programm umfasst dem Bundesinnenministerium zufolge auch eine finanzielle Unterstützung beziehungsweise eine Art Starthilfe.

Eine in Afghanistan ansässige Beratungsstelle des Programms „Perspektive Heimat“, die über die UN-Organisation für Migration umgesetzt wird, vermittele zurückgekehrten Afghanen Unterstützungsleistungen vor Ort, hieß es. Diese Leistungen umfassten Schul- und Wohngeld oder psychosoziale Betreuung zur Traumabewältigung. Anlass für die Anfrage bei der Bundesregierung ist ein kritischer Bericht der Kinderrechtsorganisation „Save the Children“. 57 ­Kinder und Jugendliche, die aus Europa nach Afghanistan zurückkehrten, waren für den Bericht der Hilfsorganisation befragt worden; 39 von ihnen hatten angegeben, sich in ihrer Heimat nicht sicher zu fühlen. Nur 16 junge Rückkehrer gaben an, in Afghanistan zur Schule zu gehen. Bei zehn wurde versucht, sie für den bewaffneten Kampf zu rekrutieren. Acht der Kinder waren noch nie in Afghanistan, weil sie in Pakistan oder im Iran geboren wurden. Drei Viertel der Minderjährigen planen den Angaben nach eine erneute Flucht.

Die Linke kritisiert das Rückkehrförderprogramm. „Was offiziell als freiwillige Rückkehr bezeichnet wird, dürfte in der Praxis meist eine Entscheidung sein, die aufgrund einer konkreten Abschiebeandrohung getroffen wird“, sagte Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, den Funke-Zeitungen. „Die sogenannte Rückkehrförderung befördert nicht ihre Integration, sondern ihre Traumatisierung, sagte Jelpke und forderte eine sichere Aufenthaltsperspektive für Betroffene in Deutschland. (epd, taz)