Kolumne Helden der Bewegung: Äußere Haltungsschäden

Toni Kroos und Mario Basler kritisieren die Körpersprache von Leroy Sané. Ausgerechnet – denn zu manchen Themen sollten beide schweigen.

Die Nationalspieler Toni Kroos, Niklas Süle und Leroy Sané

Schultern unten, Kopf gesengt: Kroos, Süle und Sané (v.l.) Foto: dpa

Es geht neuerdings wieder viel um Körperhaltung im deutschen Fußball, es ist die reinste Rückenschule. Auch am Dienstag wieder, beim Spiel gegen Frankreich, stellte sich nach dem Ausgleich Serge Gnabry hin und zeigte seinen Kameraden, wie Selbstbewusstsein einen Oberkörper formt. Zuvor war die Körperspannung von Leroy Sané kritisiert worden – von Toni Kroos.

Ausgerechnet Toni Kroos will wissen, was korrekte Haltung ist! Ausgerechnet einer von den Hanseln, der Özil unterstellte, er hätte sich über Rassismus innerhalb der Mannschaft beklagt (hat er nicht), um dann Özils Kritik als Quatsch abzukanzeln. Und von so einem muss man sich dann anhören, wie man rumzulaufen hat, damit man auch nach was aussieht, als wäre Kroos die gestrenge Mutti, die vorm Spiel in der Kabine nochmal die Reihen entlangläuft und mit angespeicheltem Daumen ihren Zöglingen die Zahnpastareste von der Wange rubbelt. Und jetzt: Steht gerade! Augen geradeaus!

Der erste Mann, den ich liebte, hieß Pavel Kuka, der zweite Youri Djorkaeff. Er kam 1999 zu Kaiserslautern, als Weltmeister und als ein Versprechen: jene Mannschaft, die Rehhagel bisher wie einen angespitzten Zaunpfahl durch die gegnerischen Abwehrreihen getrieben hatte, sollte nun auch einen spielerischen Touch bekommen. Jene Mannschaft, die mit brutaler Effektivität und harter Arbeit Fußball gebissen hatte, sollte nun ein wenig mehr Einfallsreichtum und Zauber entfalten.

Schon an Djorkaeff wurden bald schon all jene Kleinig­keiten kritisiert, die heute die Bewertung von verspielten Kreativen dominieren: die slackerhafte Haltung, der mangelnde Wille, die Inkonsequenz. Und auch die Pausen, die sich Youri Djorkaeff nahm, wollte man ihm nicht recht zugestehen.

Mario Baslers Unverständnis für die Lässigkeit

Einer der schärfsten Kritiker Djorkaeffs war zeitgleich mit ihm zum Verein gekommen: Mario Basler. Über ihn hätte man auch klagen können: dass zu Spielwitz, Kreativität, Genie unbedingt die Fehlerhaftigkeit, das Vorläufige dazugehören und dass das Spiel etwas braucht, das der moderne Fußball, so weit es geht, auszumerzen versucht: die Pause, oder abstrakter: den Müßiggang. Nichts verzeiht aber der Zuschauer weniger, als wenn einer der Protagonisten mal zehn Minuten nichts tut.

Aber manchen verzeiht man es ein bisschen weniger als anderen. Basler verzieh man das alles mehr als Djorkaeff, dem vielerlei zum Verhängnis wurde: seine Weltläufigkeit, sein einzelgängerisches, grüblerisches Gemüt, seine internationalen Titel. Letzten Endes abgesägt wurde er dann von Andi Brehme, was eine schöne, wenn auch bittere Pointe ist: In Kaiserslautern, in der tiefsten Provinz, vollzog sich die Rache der hemdsärmeligen Neunziger am moderneren Individualismus der Nuller, um den Preis, dass Lautern noch heute dazu verbannt ist, Italia-90-Fußball zu spielen; jetzt halt gegen Zwickau und Großaspach statt gegen Bayern München und Inter Mailand.

Djorkaeff ließ seine Karriere in England ausklingen und managt jetzt einen Club in den Banlieues von Lyon. Basler hingegen kaspert weiter durch die Medienlandschaft, um da bierselige Weisheiten zu verkünden: Özil beispielsweise habe die jämmerliche Körperhaltung eines toten Frosches. Und zu Sané fiel ihm einmal auf, dass er als Einziger Handschuhe während eines Spiels trug. Aus Baslers Brust muss einstmals eine eiserne Kindergärtnerin gebrochen sein, die jetzt mit dem Rohrstock kommentieren darf, was sie an dem, was sie sieht, nicht mehr versteht.

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