meinungsstark
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Es ziemt sich nicht?

„Den Ochsen reiten“, taz vom 3. 11. 18

Zu Beginn des Artikels wird eine Frau offensichtlich auf ihren eigenen Wunsch hin von einem Mann mit der Reitgerte geschlagen. Reflexhaft dachte ich: „Steinzeit“. Dann setzte meine Selbstkontrolle ein – bin ich gerade arrogant und überheblich, typisch Europäer, der sich primitiven Völkern überlegen fühlt? Nach einiger Überlegung kam ich zu dem Schluss, dass die Bewertung des Vorgangs (eine geschlagene Frau ist eine geschlagene Frau, und was würde wohl passieren, wenn sie auf die Idee käme, dem Mann mit der Gerte eins überzuziehen?) nicht arrogant ist. Überheblich könnte nur die Form eines möglichen Eingriffs sein, etwa das Fest verbieten zu wollen.

Ich las den Artikel weiter. Er endete mit der Beschreibung, wie der Veranstalter des Events in „harten Verhandlungen“ vom französischen Fernsehen 200 Euro für das Recht bekommt, zu filmen. An dieser Stelle allerdings diagnostiziere ich echte Arroganz.

Der ganze Text ist entweder eine extrem subtile Satire, deren Ironie ich leider nicht verstanden habe, oder ein Paradebeispiel für klassische Kolonialberichterstattung aus dem 19. Jahrhundert. Eric Brünner, Karlsruhe

Die Kandidatur der Quertreiber?

„Der Fehler des Friedrich Merz“, taz vom 3./4. 10. 18

Was ist denn nun der Fehler des Friedrich Merz? Doch nicht, dass die Vergangenheit nicht zurückkommt! Dass die sehr wohl zurückkommen kann, sagt schon der Begriff „Neo-Nazi“.

Der Fehler von Merz ist, dass er verkennt, dass er die Kanzlerin nicht stürzen kann. Und sollte er es dennoch versuchen, wird er sich als Quertreiber die KanzlerInnenkandidatur abschminken können. Wenn es dann zum Duell Karrenbauer-Laschet kommt, werden wir zum zweiten Mal in der Geschichte eine Kanzlerin haben.

Es könnte aber auch geschehen, dass der forsche Merz die CDU so gegen die Wand fährt, dass sich noch ganz andere Mehrheitsverhältnisse ergeben. Aber als Erstes muss jetzt ­Seehofer weg! Heinz Mundschau, Aachen

Wo bleibt meine App für die Hölle?

„Foodporn statt Hardcore“, taz vom 2. 11. 18

Internet im Knast, so nützlich es für die Gefangenen ist, so fällt damit auch eines der letzten Offline-Refugien. Zu schwach, um mich, was die Kommunikation durch E-Mails angeht, von selbst im Zaum zu halten, hatte ich der Vorstellung, im Knast zu sitzen, seit meiner Mailsucht immer etwas Gutes abgewonnen, nämlich: mal wieder mit echten Menschen zu sprechen, statt jede Minute eine Mail zu lesen oder zu schreiben, während mein Tischgegenüber dasselbe tut.

Diese Möglichkeit ist dann nun vorbei und als Mail-Suchtkranker bleibt mir nur noch die Hoffnung, dass wenigstens das Verbot, sein Handy mit in den Sarg zu nehmen, aufrechterhalten bleibt. Vermutlich jedoch nur so lange, wie es noch keine App gibt, durch die man der Hölle entrinnen kann.

Wolfram Hasch, Berlin

Die Ethik der Schrecksekunde?

„Tödliche Algorithmen“, taz vom 5. 11. 18

Das Thema Ethik im autonomen Fahren stellt immer ein wenig das Dilemma des Blinden dar, der sehenden Auges in einen Unfall rauscht. Dabei ist die Sache erst einmal simpel: Solange der Mensch nicht eingreift, passiert kein Unfall!

Latscht dann einer doch bei Rot über die Ampel, so steht das autonome Auto bei Tempo 30 nach 4,5 Metern, bei Tempo 50 nach 12,5 Metern. Durch die Vernetzung stehen alle Autos dahinter auch so schnell, es gibt keine Schrecksekunde. Der Rest ist die Ethik des „Wer nicht hören will, muss fühlen“.

Und was wäre, wenn ein Mensch das Fahrzeug kontrolliert? Daddelt vielleicht auf dem Handy, fährt den Rotsünder gleich auf den Friedhof oder weicht aus und schickt die wartenden Schulkinder ins Krankenhaus. Gibt es eine Ethik der Schrecksekunde? Christian Kollmann, Moers