Mehr Mindmapsals Collagen

Kausalketten und Koinzidenzen: Das Zeughauskino zeigt in einer Werkschau die dokumentarisch-essayistischen Filme des Regisseurs Lutz Dammbeck

In „Zeit der Götter“ (1992) porträtiert Dammbeck den Bildhauer und NS-Günstling Arno Breker Foto: Archiv Dammbeck Film

Von Fabian Tietke

Vor einem Bücherregal voller bunter Buchrücken nimmt ein älterer Herr mit schneeweißen Haaren in einem schwarzen Oberteil mit einer schwarzen Strickjacke darüber Platz auf einem roten Stuhl. An der Strickjacke ist in Brusthöhe ein Anstecker mit der palästinensischen Fahne befestigt. Masao Adachi, mittlerweile 79, war in den 1960er Jahren einer der wichtigsten Regisseure der japanischen Linken, bevor er in die politischen Untiefen der „Japanischen Roten Armee“ abdriftete, in ein Ausbildunglager für Guerrillakämpfer nach Palästina ging und schließlich gut 20 Jahre später im Libanon verhaftet wurde.

Das Gespräch, das der Dokumentarfilmer Lutz Dammbeck mit Adachi führte, ist die Grundlage von Dammbecks neustem Film „Bruno & Bettina“, mit dem das Zeughauskino am nächsten Mittwoch eine Werkschau der Filme Dammbecks beginnt. Schon diese Woche eröffnet im Filmmuseum Potsdam eine Foyer­ausstellung zu Dammbecks Anfängen im Animations- und Experimentalfilm.

Ausgangspunkt des Gesprächs mit Masao Adachi ist Dammbecks vorletzter Film „Overgames“, in dem der Regisseur die Verbindungslinien zwischen der Reeducation der Nachkriegszeit und dem nahezu zeitgleichen Trend zur Spielshow nachgeht. Mit Bergen von Material rekonstruiert Dammbeck kulturgeschichtliche Linien, die sich in der deutschen Nachkriegszeit und der Frage, wie man aus Nazis passable Demokraten macht, kreuzen.

Ebendies führte zur ersten Begegnung Dammbecks mit Adachi auf einem Symposium des Goethe-Instituts in Tokio. Das Gespräch Dammbecks mit Adachi in „Bruno & Bettina“ ist unterlegt mit zeitgenössischen Bilddokumenten, die Ähnlichkeiten und Unterschiede der Reeducation in Deutschland und Japan treten im Verlauf der Unterhaltung zurück hinter Fragen zu Adachis Gang in den Untergrund, der Beteiligung an einzelnen Terroraktionen, schließlich der Bedeutung der DDR als Rückzugsraum.

Dammbeck studierte in der DDR an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, konnte anschließend eine Reihe von Filmen für das Defa-Trickfilmstudio in Dresden realisieren. 1986 siedelt Dammbeck mit seiner Lebenspartnerin und der gemeinsamen Tochter nach Hamburg über und realisierte ab 1990, beginnend mit „Herakles Höhle“ mit einer eigenen Produktionsfirma Filme. Ab „Die Zeit der Götter“ von 1992 nehmen seine Filme stärker dokumentarisch-essayistische Formen an, wobei die Filme ohnehin nicht selten nur ein Teil der Präsentation der Recherchen und des zugrunde liegenden künstlerischen Projektes sind.

„Zeit der Götter“ konzentriert sich auf Arno Breker, einen der zentralen Künstler des Nationalsozialismus. Vor Aufkommen des NS galt Breker als vielversprechender, international geschätzter Künstler, dann erstarrte er zum Staatskünstler. Dammbecks Film lohnt ein Wiedersehen, weil er am Beispiel Brekers grundsätzliche Fragen zu politischen Künstlerbiografien aufwirft.

In einem Essay zum Kino Lutz Dammbecks bemerkt Sven Safarow: „Seine Methode ist die Collage. Eine Arbeitsweise, die er sich bis zu den Dokumentarfilmen bewahrt und über die Jahre perfektioniert hat. Nur besteht die Collage nicht mehr wie im Animationsfilm im Zusammensetzen verschiedener Bildelemente, sondern im Ineinanderschieben vermeintlich unzusammenhängender Ideen, Theorien und Interviews.“

Das ist mit Blick auf die künstlerische Biografie Dammbecks eine treffende Beobachtung, verdient aber in Bezug auf die Dokumentarfilme eine Ergänzung: Inmitten des collagierenden Nebeneinanderstellens von Fundstücken, Gesprächen und anderen Elementen lässt sich nicht klar trennen, wann Kausalketten behauptet werden und wann es eher um Koinzidenzen geht. Darin ähneln die Filme eher Mindmaps als Collagen – umso stärker, je mehr wie im Falle von „Overgames“ eine These im Zentrum des Films steht. Beeindruckenderweise wird das nur selten als Mangel fühlbar und ist meist eher anregend, fordert die Zuschauer auf, das Präsentierte auf Zusammenhänge hin abzuklopfen.

Die Werkschau im Zeughauskino ist eine begrüßenswerte Gelegenheit, Lutz Dammbecks Filme auf ihre Zusammenhänge und Entwicklungslinien hin anzusehen. Leider hat das Zeughauskino das durch die Art der Präsentation gleich doppelt nicht einfacher gemacht: Die Werkschau ist ziemlich weit auseinandergezogen, nach „Zeit der Götter“ klappern die beiden Programme mit kürzeren Filmen ziemlich nach. Auch die Anordnung in absteigender Chronologie wirkt nicht eben intuitiv.

So bleibt die Aufgabe, als Zuschauer nach sieben Filmprogrammen in zehn Tagen das Gesehene noch einmal durcheinanderzuwirbeln und neue Möglichkeiten der Anordnung zu suchen. Das wiederum wird den Filmen gerecht.

Die Lutz-Dammbeck-Werkschau läuft vom 14. bis 23. 11. im Zeughauskino, Unter den Linden 2, www.dhm.de/zeughauskino