„Liegt es an meiner Hautfarbe?“

Die Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung lud zur Fachwerkstatt „Diskriminierung an der Club-Tür, auch in Berlin!?“. Manche schien es zu provozieren, dass so über Rassismus gesprochen wurde

Der Inklusion verpflichtet: die Spaceship-Partys im Club Mensch Meier Foto: Andi Weiland

Von Andreas Hartmann

Amanj Ferzali kommt aus dem Irak und lebt in Berlin. An Silvester letzten Jahres wollte er auf eine Party in der Kulturbrauerei, das Ticket hatte er bereits. Doch der Türsteher vor dem Club sagte zu ihm: „Du nicht.“ – „Warum?“, fragte Ferzali, „Liegt es an meiner Hautfarbe?“ Ins Gesicht gesagt wurde ihm: „Ja“.

Ferzali erzählte diese Geschichte bereits in einer RBB-Reportage zum Thema Rassismus an Berliner Clubtüren. Und nun, auf dem Gelände, auf dem er so übel diskriminiert wurde, im Club Soda (der Teil der Kulturbrauerei ist), berichtet er auf einem Podium davon noch einmal. Im Rahmen einer „Fachwerkstatt“ zum Thema „Diskriminierung an der Clubtür, auch in Berlin!?“, zu der die Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung geladen hat.

Ferzali sagt, nach seiner Erfahrung von Rassismus habe er wochenlang nicht schlafen können, „bis jetzt geht es mir schlecht wegen einer Nacht, wegen eines Satzes“. Doch eine Person aus dem Auditorium springt aufgebracht auf: Marc Wohlrabe, Initiator der Clubcommission, der Lobby-Organisation Berliner Clubs, will wissen, ob Ferzali in anderen Clubs ähnliche Erfahrungen gemacht habe. Er unterstellt bald der Veranstaltung, eine „traurige Stoßrichtung zu haben“ und aus ein paar sicherlich schrecklichen Einzelfällen ein Problem zu konstruieren, das es gar nicht gebe.

Im weiteren Verlauf der Tagung wird ihm auch noch Lukas Drevenstedt, kaufmännischer Geschäftsführer der Clubcommission, beispringen und von einem „Tribunal“ sprechen, das über die Berliner Clubszene richte, die „sowieso schon unter Beschuss“ stehe.

„Gleichbehandlung ist ihr gutes Recht.“ Das steht auf einem Plakat, das im Foyer des Soda-Clubs aufgehängt wurde. Das ist ein nobles und wichtiges Anliegen. Im Nachtleben, beim Einlass in einen Club, fällt dieses jedoch bekanntlich oft genug unter den Tisch.

Gerangel um die Deutung

Die falsche Jacke, die man trägt, die schlechte Laune des Türstehers – viele Gründe können dazu führen, dass man abgewiesen wird. Wo aber genau beginnt hier Diskriminierung? Und lässt sich aus dem unangemessenen Verhalten einzelner Türsteher etwas über die Situation in Berliner Clubs insgesamt ableiten? Dazu gibt es viele Meinungen, das zeigt sich auch bei dieser Fachwerkstatt.

Petra Wutzo, Leiterin der Beratungsstelle gegen Diskriminierung des Bundes, berichtet von ein paar Diskriminierungsfällen an Clubtüren, nicht nur in Berlin, sondern auch in Chemnitz, die geahndet wurden. Allerdings seien hier klare Beweise vorgelegen, Handyaufnahmen, die rassistische Äußerungen von Türstehen dokumentierten. Im Normalfall jedoch sei es äußerst schwierig, diskriminierendes Gebaren im Nachtleben zu ermitteln. Verfahren würden sich über Monate hinziehen, Erfolgsaussichten von Klagen vor Gericht und Entschädigungszahlungen seien selten. Höhere Bußgelder und mehr sogenannte Testings (Verfahren, die diskriminierendes Verhalten von Türstehern genauer dokumentieren) wünscht sich Petra Wutzo deswegen.

Er höre nur von „besseren Waffen, schärferen Schwertern, härteren Sanktionen“, fällt dem daueraufgebrachten Marc Wohlrabe dazu ein. Gegen Rassismus spreche auch er sich deutlich aus, aber Selektion an der Clubtür habe seiner Erfahrung nach im Normallfall „atmosphärische Gründe“ und keine diskriminierende. Und überhaupt: Die Referenten wüssten nicht, wovon sie eigentlich reden, unterschieden nicht zwischen Proll-Diskothek und Club und hätten sich schlecht vorbereitet.

Die ganze Veranstaltung gerät zunehmend zu einem Gerangel darüber, wer denn nun die Deutungshoheit über die Türpolitik Berliner Clubs hat. Deren Lobby, die zu dem Thema regelmäßig selbst Veranstaltungen organisiert, oder die Antidiskriminierungseinrichtung des Senats.

Klar ist, dass es ein Problem gibt. Der schwarze DJ Jeff Mills, der jahrelang in Berlin lebte, gab vor Kurzem zu Protokoll, dass er oft im hiesigen Nachtleben rassistisch angegangen worden sei. Klar ist aber auch, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht das Wundermittel ist, wie man es seitens der Podiumsredner zu sehr vermittelt bekommt.

Ein Recht auf Berghain?

Gemäß dem AGG darf man aufgrund seines Geschlechts, seiner Religion, Behinderung oder sexuellen Identität nicht anders behandelt werden als andere. So weit so gut. Doch auch Weltanschauung und Alter gehören mit in den Antidiskriminierungskatalog.

Soll ein 70-jähriger AfDler, der nicht ins Berghain kommt, demnächst also mit Aussicht auf Erfolg gegen den Club klagen dürfen? Gegen eine derart formalistische, zugegebenermaßen noch reichlich theoretische Auslegung des AGG, richtet sich der Furor seitens der Clubcommission-Leute dann wohl auch.

Es ist gut was los bei dieser Veranstaltung. Irgendwann muss sogar eine Awareness-Beauftragte, die auch geladen wurde, aufstehen und sagen, dass man langsam mal wieder konstruktiv ins Gespräch kommen möge. Und diskutiert werden muss über das Thema Diskriminierung an der Clubtür ganz sicherlich auch weiterhin.