Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Donald Trump sucht einen neuen Justizminister, die SPD eine neue Ausrichtung und Hans-Georg Maaßen eine neue berufliche Perspektive.

Andrea Nahles und Lars Klingbeil beim Debattencamp der SPD

Zwölf Jahre arbeiten, ein Jahr frei: SPD-Generalsekretär Klingbeil träumt vom Sabbatical für alle Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Der deutsche Einzelhandel verdient so obszön gut, dass er Tafeln gratis mit Ware beliefern kann.

Und was wird besser in dieser?

Bei Rewe bezahlt man jetzt 5 Euro für Tüten, die an die Tafeln gehen.

Am Freitag war der 9. November, ein denkwürdiger Tag. Ihr erster Gedanke: 1918, 1938 oder 1989?

1848 wäre noch im Angebot, da fand die standrechtliche Hinrichtung des Pauls­kirchen-Anführers Robert Blum statt. Und 1923, „Hitler-Ludendorff-Putsch“. Wobei Hitler seinen „Marsch auf die Feldherrnhalle“ bewusst aufs Datum der Republikausrufung setzte und sich damit der „Schicksalstag der Deutschen“ bereits selbst zitierte. Die Nazis ergötzten sich später jährlich daran, ein Argument gegen das Datum. Die Pogromnacht 1938 landete dann zufällig auf dem 9. 11. Deutschlands aktuell beliebtester Geschichtslehrer, Prof. Herfried Münkler, lädt trotzdem zum 9. 11. – denn der 3. 10. sei ein eher willkürlicher Tag der Selbstadelung Kohls und emotionslos. Neben der ersten deutschen Demokratie 1918 und dem Mauerfall 1989 sollten wir uns also mühen, mehr Top-Events auf den zahlenmagischen Germanen zu packen. Okay, „SPD kündigt Groko“ ist für dieses Jahr vertan und 3:2 gegen Bayern war tags drauf. Dranbleiben.

Auch die SPD will alles anders machen! Am Wochenende stritten sie beim „Debattencamp“ in Berlin über eine Neuausrichtung ihrer Sozialpolitik. Hartz IV überwinden, alle 12 Jahre ein Sabbatjahr ­finanziert vom Staat! Haben Sie noch Wünsche hinzuzufügen?

Nahles will „Hartz anpacken und hinter uns lassen“, was fair genug ist, bisher hat es „Hartz“ mit der SPD so gemacht. Mit dem Einladungstext „Lust auf was Neues? Mach mit! Mach Zukunft!“ positioniert sie sich als echte Alternative zu einer Wellness-Belohnung. Immerhin beschwört sie so ihren Glauben ans Programm. Das braucht’s, neben einem Macht- und einem Personalvorschlag.

Nahles will „Hartz anpacken und hinter uns lassen“, was fair genug ist, bisher hat es „Hartz“ mit der SPD so gemacht

Bei den Midterm-Wahlen in den USA ging die Mehrheit des Repräsentantenhauses zwar an die Demokraten, doch im Senat verloren sie sogar noch Sitze an die Republikaner. Warum ist die blaue Welle ausgeblieben?

Das war keine Wahl „links“ gegen „rechts“, Demokraten gegen Republikaner. Sondern noch stets „Politik gegen Affekt“. Und in Affekt ist Trump unschlagbar.

Per Tweet teilte Donald Trump den Rücktritt des Justizministers Jeff Sessions mit. Wieso musste er gehen?

Minister Sessions – im Wahlkampf ein Trumpissimo – hatte sich aus den Russland-Ermittlungen rausgehalten, nachdem ruchbar wurde, dass er selbst ein paar coole Dates mit dem russischen Botschafter verschwiegen hatte. Interims-Nachfolger Whitaker hatte 2017 vorgeschlagen, ein Interims-Nachfolger könne die Ermittlungen finanziell ganz austrocknen. Womit Whitaker Whitaker vorgeschlagen hat und Trump soeben genickt.

Am Mittwoch erklärte Annegret Kramp-Karrenbauer was sie so alles machen würde, sollte sie CDU-Vorsitzende werden, beispielsweise das subjektive Sicherheitsgefühls der Menschen stärken und Migrationspolitik nicht so hoch priorisieren. AKK – eine neue Ära oder eine neue Merkel?

Das ist Kritik an Seehofers CSU und ihrer Asylneurose – und an Merkels CDU, die kein Mittel dagegen fand. Vielleicht muss man Saarländer sein, um sich vorstellen zu können, dass hinter AKKs Analyse eine wirksame Handlungsidee steckt – die Merkel nicht kannte.

Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen warnte in seiner Abschiedsrede vor „linksradikalen Kräften in der SPD“. Daraufhin versetzte ihn Seehofer in den Ruhestand und nun drohen ihm disziplinarrechtliche Schritte. Wieso erst jetzt?

Ein Geheimdienstchef, der mit AfD-Bonzen tuschelt und für den „Linksradikalismus“ irgendwo hinter Manuela Schwesig anfängt – wow! Der kann ungeschminkt in der nächsten Staffel von „Babylon Berlin“ mitspielen. Die Tragik Maaßens ist nicht mal, dass er rechtsradikal wäre, sondern – das mag man schlimmer finden – ein gnadenloser Opportunist, der auch schon Rot-Grün mit Gefälligkeiten vaselinierte. Ein politischer Putzerfisch mit der abseitigen Neigung, den Großen immer in die falsche Öffnung zu schwimmen.

Nach den Pannen bei der Hessenwahl werden Stimmen neu ausgezählt. Das amtliche Endergebnis soll am 16. November verkündet werden. Was glauben Sie, kommt jetzt doch noch die Ampel-Koalition?

Schäfer-Gümbel mag’s versuchen, Bouffier kann dann noch die Jamaika-Karte spielen. Kommenden Freitag soll ausgezählt sein. Beides lässt Ypsilantis angedachten Rot-Rot-Putsch von dunnemals als heile Welt von früher erscheinen.

Und was machen die Borussen?

Bei YouTube steht ein zittriges Handyvideo, das Tausende BVB-Fans unter der Gäste­tribüne die Seppelhymne „Ein Schuss, ein Tor – die Bayern!“ grölend zeigt. Deutscher Meister in angewandter Ironie 2018/19.

Fragen: JWA, CAS

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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