Spielgeld für den guten Zweck

Die rot-grüne Koalition will Opferschutz und innere Sicherheit mit mehr Geld ausstatten. Wohltaten für 50 Millionen Euro sollen vor den nächsten Wahlen verteilt werden

Bedarf an Frauenhäusern besteht nach wie vor: Demonstration gegen Gewalt Foto: Bodo Marks

Von Sven-Michael Veit

Treuherzig kann Dirk Kienscherf auch sein. „Nein“, antwortet der SPD-Fraktionschef in der Bürgerschaft, von einem „Wahlkampfhaushalt“ könne wirklich keine Rede sein. Wenn Hamburg wachse, müsse auch die soziale Infrastruktur mitwachsen, „und dieser Aufgabe stellen wir uns“. Eine Aussage, welche das rot-grüne Regierungsbündnis in 55 Anträge gegossen hat, die am Montag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz im Rathaus vorgestellt wurden.

Bei den Beratungen des Landesparlaments Mitte Dezember über den Doppelhaushalt für die Jahre 2019 und 2020 sollen sie beschlossen werden, und weil Rot-Grün über eine satte Mehrheit in der Bürgerschaft verfügt, werden sie auch beschlossen werden. Der Umfang beträgt runde 50 Millionen Euro pro Jahr.

Auch der grüne Fraktionschef Anjes Tjarks und die Haushaltspolitiker der beiden Koalitionsfraktionen, Jan Quast (SPD) und Farid Müller (Grüne), wollen nichts von einem „Füllhorn“ wissen, das über den BürgerInnen ausgeschüttet werde. Nicht zufällig indes stehen im Mai die Wahlen zu den Bezirksversammlungen an, und in 15 Monaten folgt die nächste Bürgerschaftswahl: Da ist es PolitikerInnen zur Gewohnheit geworden, zuvor Wohltaten breit zu streuen.

„Opferschutz, Polizei und Feuerwehr“, sagt Kienscherf, seien die größten Posten, mit denen der Senatsentwurf für den Doppelhaushalt (siehe Kasten) ergänzt werden soll. Bei einem Jahresetat von 15 bis 16 Milliarden Euro klingen 50 Millionen nicht nach viel – und doch lässt sich damit eine Menge finanzieren.

Allen voran ein neues, das sechste, Frauenhaus mit mindestens 30 Plätzen, samt Personal, versteht sich. Der Bedarf sei, leider, vorhanden, sagt Müller. Zudem sollen drei neue StaatsanwältInnen plus MitarbeiterInnen eingestellt werden, „um Gewalttaten gegen Frauen schneller und effektiver verfolgen zu können“. Mit zusätzlichem Geld sollen auch entsprechende Beratungsstellen ausgebaut werden, gerade auch für Jugendliche und Erwachsene mit Migrationshintergrund.

Der Anfang September präsentierte Entwurf des rot-grünen Senats zum Doppelhaushalt 2019/2020 sieht für die kommenden beiden Jahre Ausgaben in Höhe von 15,51 und 15,97 Milliarden Euro vor.

In diesem Doppelhaushalt sind mehr als 2,6 Milliarden Euro für die Sanierung von Straßen und Sportstätten, Kitas und Kaianlagen vorgesehen.

Der im Dezember 2016 verabschiedete laufende Doppelhaushalt sah Ausgaben von zusammen rund 28 Milliarden Euro für 2017 und 2018 vor. Die Stadt hielt somit die für 2020 geforderte Schuldenbremse bereits vorzeitig ein.

Und natürlich darf vor Wahlkämpfen die innere Sicherheit nie außer Acht gelassen werden. 500 Polizisten mehr bis 2021 sollen finanziert werden, dazu 22 Stellen in der Justiz. Geld gibt es für die Sanierung von Feuerwehrhäusern und für die Feuerwehrleute selbst: 1,7 Millionen Euro pro Jahr sollen als „Erschwerniszulage“ für Nacht- und Sonntagsschichten bereitgestellt werden. „Wir wollen, dass Hamburg ein sicherer Ort ist“, wiederholt Kienscherf das sozialdemokratische Mantra, seit die SPD die Wahl 2001 gegen den gnadenlosen Richter Schill verloren hatte.

Geld soll es auch geben für die Stiftung für politisch Verfolgte sowie für zwei Kampagnen gegen Antisemitismus und für Antidiskriminierung. Erlebnis-Schulhöfe an Grundschulen will Rot-Grün fördern, den Botanischen Garten der Universität ausbauen, Parks und Grünanlagen systematisch und besser pflegen oder auch die Hamburger Musikwirtschaft und speziell die Symphoniker fördern.

„Spielgeld“ wird die im Vergleich zum Gesamtetat eher bescheidene Summe auch genannt, welche die Abgeordneten zu den Haushaltsberatungen verteilen können – gern zu Gunsten der eigenen Klientel und des eigenen Wahlkreises. Muss ja nichts Schlechtes sein.