Gesetz zur Dopingopferhilfe: Betrüger oder nur Betrogene?

Anti-Doping-Aktivisten kämpfen gegen das Dopingopferhilfegesetz. Ein früherer DDR-Zehnkämpfer will sich entschädigen lassen.

Christian Schenk mit seinem Buch

Ex-Olympiasieger, Autor und plötzlich auch Doping-“Opfer“: Christian Schenk Foto: dpa

„Ja. Ich habe auch vor, den Antrag zu stellen.“ Christian Schenk hat das gesagt. Der ehemalige Zehnkämpfer, der 1988 für die DDR Olympisches Gold gewonnen hatte, war vom Nordkurier gefragt worden, ob er vorhabe, einen Antrag auf Entschädigung als Dopingopfer zu stellen. Christian Schenk?

Der Mann, der in seiner just erschienenen Autobiografie geschrieben hat, dass er wusste, gedopt worden zu sein? Genau der Schenk, dessen extremes Nach­wen­de­leben in schwere Depressionen führte, der an einer bipolaren Störung leidet und deshalb harte Medikamente nimmt, hat angekündigt, überprüfen zu lassen, ob seine Krankheit Folge des DDR-Dopingsystems ist. Ist Schenk ein Dopingopfer?

Claudia Lepping war zunächst „sprachlos“, als sie davon hörte, dass Schenk sich überlegt einen Antrag auf Entschädigung nach dem Dopingopferhilfegesetz zu stellen. Die ehemalige Leichtathletin engagiert sich im Anti-Dopingkampf, seit sie sich geweigert hat, die Dopingmittel einzunehmen, die ihr ein Trainer in Hamm verabreichen wollte.

Mit der Fixierung auf den Opferbegriff beim Thema Doping hat sie schon länger ihre Schwierigkeiten. „Es ist immer noch die eigene Hand, mit denen der Sportler die Mittel zum Einnehmen in den Mund führt“, sagt sie. Doch es ist nicht allein das Thema Eigenverantwortung von Sportlern, das sie bewogen hat, mit drei anderen renommierten Streitern im Anti-Doping-Kampf einen Brief an die Mitglieder des Sportausschusses im Deutschen Bundestag zu schicken.

Nach dem Gesetz sei es viel zu leicht, als Dopingopfer anerkannt zu werden

Lepping, der Molekularbiologe Werner Franke, Henner Misersky, der sich als Trainer in der DDR gegen das Doping stemmte, und Gerhard Treutlein, der Leiter des Zentrums für Dopingprävention in Heidelberg, versuchen mit dem Brief, eine grundlegende Veränderung des Dopingofer-Hilfe­gesetzes zu erreichen. Namhafte Anti-Doping-Aktivistinnen kämpfen gegen ein Doping­opfer­hilfegesetz.

Im „Zweiten Gesetz über eine finanzielle Hilfe für Dopingopfer der DDR“ war eine Frist bis Dezember dieses Jahres gesetzt. Bis dahin konnten Betroffene einen Antrag auf 10.500 Euro Entschädigung stellen. Der Bundestag hat kürzlich beschlossen, die Frist um ein Jahr zu verlängern. Außerdem wurde der Entschädigungsfonds von 10,5 Millionen auf 13,65 Millionen Euro aufgestockt. Am 23. November soll der Bundesrat der neuen Regelung zustimmen.

Er hat gedopt und wusste das

Die Verfasser des Briefes fordern, die Gesetzesänderung zu stoppen, sie sehen die Gefahr eines „Missbrauchs durch Betrüger“. Nach dem Gesetz, so legt das Schreiben nahe, ist es viel zu leicht für ehemalige Sportler und deren Nachkommen, als Dopingopfer anerkannt zu werden. In der Tat sind die Hürden, die das zuständige Bundesverwaltungsamt in einem „Hinweisblatt für das fachärztliche Gutachten“ formuliert, nicht allzu hoch. Die Wahrscheinlichkeit, dass Schädigungen von Dopingpräparaten herrühren, muss nicht größer sein als 50 Prozent.

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Zudem heißt es, dass „es ohne Relevanz ist, ob der Gesundheitsschaden gegenwärtig noch vorliegt oder Folgen hinterlassen hat“. Auch deshalb wird in dem Schreiben an die Abgeordneten festgehalten: „Das Gesetz war immer schon eine Einladung zum fortwährenden Betrug durch damals dopende Sportler, die heute behaupten, nichts gewusst zu haben.“ Nun erwägt sogar der dopinggeständige Christian Schenk, sich vom Bund entschädigen zu lassen.

Für Claudia Lepping ist das Grund genug, sich mit den Begrifflichkeiten genau auseinanderzusetzen. Als Opfer könnten nur die bezeichnet werden, die als Kinder und Jugendliche in das Leistungssportsystem der DDR „hineingerasselt“ seien und denen man ohne ihr Wissen Dopingmittel verabreicht habe. Einer wie Schenk, der gewiss zu leiden hat an seiner Krankheit, kann in diesem Sinne kein Opfer sein. Er hat gedopt und wusste das. Er kannte die Nebenwirkungen der Medikamente, die man ihm gab, nicht. Als solcher ist er vielleicht ein Geschädigter im Sinne des Strafgesetzbuches, und der Trainer, der ihm die Pillen gab, mag der Körperverletzung schuldig sein. Ein Dopingopfer ist er für die vier Briefschreiber aber nicht.

Der Verein Doping-Opfer-Hilfe e. V. sieht das anders. Deren Vorsitzende Ines Geipel meint, dass „ohne Wissen“ gedopt eben auch bedeuten kann, dass der Sportler nicht über die möglichen Folgen seines Medikamentenkonsums aufgeklärt war. „So schnell kann man also vom Dopingtäter zum Opfer werden“, meint Claudia Lepping dazu.

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