Rechte Vortragende an der Uni: Meinungsfreiheit oder Hetze?

Ein Philosophieprofessor lädt Thilo Sarrazin und den AfD-Abgeordneten Marc Jongen zu Vorträgen ein. Die Uni Siegen streicht ihm daraufhin das Geld.

Thilo Sarrazin im Vordergrund, eine grüne Wand mit schwarzer und weißer Schrift im Hintergrund

Stress an der Uni Siegen: Fällt die Rede vom „Tugendterror“ noch unter Meinungsfreiheit? Foto: dpa

BERLIN taz | „Denken und Denken lassen“ – das ist der Titel einer Lehrveranstaltung der Philoso­phischen ­Fakultät der Uni­versität Siegen, geleitet von Professor Dieter Schönecker. Nun wird sie zum Politikum. Denn als Vortragende geladen sind auch Thilo Sarrazin und der AfD-Bundestagsabgeordnete Marc Jongen. Die Universität aber will die Vorträge der beiden Rechtsaußen nicht finanzieren.

Schönecker hatte Sarrazin und Jongen eingeladen, damit sie über „Philosophie und Praxis der Meinungsfreiheit“ referieren. Im Vorlesungsverzeichnis heißt es, in der Vortragsreihe gehe es „um die Frage, wie groß die Meinungsfreiheit bei Veranstaltungen sein sollte, die an Universitäten stattfinden“. Demnach soll Marc Jongen am 20. ­Dezember unter dem Titel „Vom Free Speech zum Hate Speech – auch eine Dia­lektik der Aufklärung“ re­ferieren. Thilo Sarrazins Vortrag am 10. Januar heißt „Der neue Tugendterror. Über die Grenzen der Meinungsfreiheit in Deutschland“.

In einer Stellungnahme teilt die Universität mit, man werde für beide Vorträge keine Mittel zur Verfügung stellen: ­Schöneckers Vortragsreihe sei zu einseitig. Man hätte „eine öffentliche Diskussionsveranstaltung mit vielfältigen Denkrichtungen im Sinne von Rede und Gegenrede bevorzugt“. Rektorat, der Senat und die Philosophische Fakultät würden sich aber sehr wohl zur Wissenschaftsfreiheit bekennen, auch zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung „mit politisch umstrittenen Positionen und Meinungen“ im Rahmen des Grundgesetzes.

Schönecker sieht es anders: Die Universität schränke „Kritik und Austausch, Streit und Zweifel“ ein, erklärte er in einem FAZ-Gastbeitrag. Er halte weiter an den Einladungen fest: „Nur wenige machen ihren Kopf frei für den eigentlich nicht schweren Gedanken, man könne tatsächlich einen Redner einladen, ohne ihm zuzustimmen.“ Dabei habe er nichts „mit der AfD oder irgendwelchen anderen rechten oder rechtsextremen Gruppierungen“ zu tun. Wenn Linke, von der Uni finanziert, sprechen dürften, sollten das auch Rechte dürfen. Auch werde er die Redemanuskripte überprüfen, um sicherzustellen, dass der Vortrag nicht instrumentalisiert werde. Außerdem habe er „ein gutes Dutzend Personen aus dem linken Spektrum“ eingeladen, mit einer Ausnahme seien aber nur Absagen gekommen.

AStA: Frage schon beantwortet

Eine Sprecher der AStA Uni Siegen sagte der taz: „Die Frage, ob man an der Uni nicht auch Menschen sprechen lassen sollte, deren Positionen man nicht teilt, ist zentraler Inhalt von Schöneckers Seminar. Er überlässt die Frage jedoch nicht den Studierenden, sondern beantwortet die Frage selbst, indem er sie einlädt.“ Außerdem sei es „absurd“, zu behaupten, dass „ein Mensch, der Tausende von Büchern verkauft hat und in dutzenden Fernsehsendungen frei sprechen durfte“, in seiner Meinungsfreiheit begrenzt sei.

Schönecker bekräftigte gegenüber der taz, dass er die Vorträge durchführen werde. Ein Sprecher der Universität Siegen bestätigte, dass diese nicht untersagt seien. Es werde aber um eine Zusatzanmeldung gebeten, „aus Sicherheitsgründen und wegen zu erwartender höherer Besucherzahlen“. ­Schönecker wird nach eigenen Angaben von seinem Institut unterstützt. Universitätsweit sei die Zustimmung indes überschaubar. Über seine Zukunft an der Uni sagt er: „Ich werde selbstverständlich hier bleiben.“

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