Verseuchung auf dem Biohof: Entschädigung für Pestizidabdrift

Die Versicherung eines konventionellen Bauern zahlt, weil dessen Unkrautvernichter auf Ökoacker gelangt ist. Man sollte mehr solcher Schäden melden.

Dünger- und Pestizidspritze auf einem Acker

Wenn nebenan gespritzt wird, sieht es schlecht aus für den Ökoacker Foto: dpa

BERLIN taz | Der von Pestiziden eines konventionellen Nachbarn verseuchte Biohof im niedersächsischen Marlin hat eine Entschädigung bekommen. Die Hofgemeinschaft teilte der taz mit, dass eine Versicherung des Verursachers rund 2.900 Euro für die Pflanzen gezahlt habe, die wegen der Ackergifte nicht mehr vermarktbar waren. „Diese Summe errechnete sich aus den Großhandelspreisen“, so die Stellungnahme der Landwirte. Zu so niedrigen Preisen kann ein mit rund zwei Hektar sehr kleiner Betrieb aber kaum produzieren. Wäre der Hof nicht als „Solidarische Landwirtschaft“ organisiert gewesen, deren Mitglieder finanziell einsprangen, wären die Bauern nach eigenen Angaben auf einem Teil des Schadens sitzen geblieben. Die taz hatte über den Fall berichtet.

Die Versicherung habe auch die etwa 3.500 Euro für die Gutachterin bezahlt, die den Schaden ermittelte, schreiben die Biobauern weiter. „Ohne die Bestellung einer unabhängigen Sachverständigen durch uns hätten wir den Schaden wahrscheinlich nicht nachweisen und geltend machen können.“

Als das Pestizid Ende April abdriftete, war der Acker im zweiten Jahr der vorgeschriebenen Umstellungszeit von der konventionellen auf die Biolandwirtschaft. Die Flächen wurden den Bauern zufolge nicht rückumgestellt, „da wir die uns vom Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) auferlegten Maßnahmen erfüllten“: Sie gruben den belasteten Boden um, um die Wirkstoffe in tiefere Schichten zu verfrachten, überprüften dies durch eine weitere Laborprobe und leiteten Schritte ein, um künftig Abdrift zu verhindern. Auch die Kosten für diese Maßnahmen in Höhe von 100 Euro habe die Versicherung übernommen.

„Das Prozedere nach dem Schaden war für uns sehr aufwendig und nervenaufreibend“, heißt es in der Stellungnahme weiter. „Die finanzielle Kompensation spiegelt den tatsächlichen Aufwand und Schaden somit kaum wider.“

Die Ökobauern klagen, dass sie, aber nicht die Verursacher Abdrift verhindern müssten

Vor allem aber kritisieren die Biobauern: „Der Umstand, dass wir als Geschädigte Maßnahmen zur Verhinderung zukünftiger Schäden ergreifen müssen – der Verursacher jedoch nicht –, ist ein Skandal. Dies wird mit der geplanten Neufassung der EU-Ökoverordnung möglicherweise Standard.“ Die Reform soll Anfang 2021 in Kraft treten.

Die konventionelle Landwirtschaft berge unkalkulierbare Risiken für ökologische Nachbarn sowie die Umwelt. Die Koexistenz von beider Landwirtschaftsformen sei nicht so problemlos möglich, wie dies oft von Seiten der Politik proklamiert werde. „Wir rufen alle BioerzeugerInnen dazu auf, wachsam bezüglich möglicher Abdriftschäden zu sein und diesen im Verdachtsfall nachzugehen und sie zu melden. Auch scheint es uns angebracht, das Thema Pestizid-Abdrift in einem größeren Maße zu diskutieren: mit BerufskollegInnen, in den Verbänden, mit VerbraucherInnen und Menschen in der Politik.“

Das vom Bayer-Konzern hergestellte Pestizid „Bandur“ war während eines Sandsturms mit Erde vom Nachbarfeld auf den Gemüseacker der Hofgemeinschaft im Wendland geweht. Hunderte Pflanzen zeigten Vergiftungssymptome, sodass die Bauern die Mitglieder ihrer Solidarischen Landwirtschaft im Mai nicht versorgen konnten.

Jedes Jahr würden in Deutschland Hunderte Biobetriebe durch Pestizide von ihren konventionellen Nachbarn geschädigt, schätzt der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Auch die Biokontrollstelle „Gesellschaft für Ressourcenschutz“ rechnet mit dieser Größenordnung. Das Risiko durch Abdrift dürfte viele Bauern davon abhalten, auf Bio umzustellen, fürchtet der BÖLW. Denn fast alle Ökohöfe sind von herkömmlichen Betrieben umgeben.

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