Kassen sollen Inklusion bezahlen

Die Initiative Gute Inklusion und der Sonderschul-Elternrat verlangen eigene Förderung für Schulkinder mit geistiger Behinderung. Im Haushaltsentwurf des Senats fehlt das Geld

Bislang bekommen Kinder mit geistigem Förderbedarf bestenfalls 0,65 Wochenstunden sozialpädagogische Assistenz

Von Frieda Ahrens

Der Kreiselternrat der Sonderschulen und die Initiative Gute Inklusion haben Sorge um die Förderung für Kinder mit geistiger Behinderung. Die Bürgerschaftsfraktionen von SPD und Grünen haben in ihrem Antrag zum Doppelhaushalt 2019/20 zwar Kindern mit einer geistigen Einschränkung ein therapeutischer Bedarf zugesprochen – sie fordern den Senat auf zu prüfen, wie Therapieangebote aufgestellt werden können –, jedoch zeigen sie laut der Initiative nicht klar auf, wo die Mittel dafür herkommen sollen.

„Wenn sie jetzt nicht beantragt werden, ist zu befürchten, da es sich um einen Doppelhaushalt handelt, dass in den nächsten zwei Jahren keine Gelder für neue Stellen zur Verfügung stehen“, sagt Pit Katzer, Sprecher der Initiative. Er vermutet, dass das Geld für die Therapieangebote für Kinder mit geistigen Behinderungen von denen für die Kinder mit körperlichen Behinderungen abgezweigt werden soll. Dies war 2015 schon einmal der Plan. „Das werden die Eltern so nicht mitmachen“, sagt Tobias Joneit vom Kreiselternrat für Sonderschulen.

Für Kinder mit körperlichen Behinderungen gibt es schon Therapieangebote, neben Therapieräumen vor allem „schulalltagsbezogene Therapie“. Das bedeutet: Therapeuten gehen mit den Kindern in die Unterrichtsstunden, bei denen sie Hilfe brauchen wie Sport oder Werken. Sie schauen, welche Hilfsmittel die Kinder brauchen, welche Form der Bewegung helfen könnte – und die Lehrer werden in die Therapie einbezogen.

Der Fokus bei der Therapie für Kinder mit körperlichen Behinderung liegt laut Katzer auf der Physio- und Ergotherapie. Bei Kindern mit geistiger Behinderung müsste noch die Logopädie dazukommen.

Die Therapien sollen zum einen dazu dienen, den Kindern Selbstständigkeit beizubringen. Da Kinder mit einer geistigen Behinderung oft keinen Regelschulabschluss machen, ist Eigenständigkeit hier der zentrale Bildungsauftrag. Zum anderen setzen die Therapien an Einschränkungen wie beim Sprechverhalten an.

Die Sonderschul-Eltern verlangen künftig Therapieangebote für Kinder mit geistiger Einschränkung auf demselben Qualitätsstandard, wie es sie bei physischen Einschränkungen gibt. Die jetzigen Therapie-Ressourcen für Kinder mit Förderschwerpunkt körperlich-motorische Entwicklung dürften dabei nicht verringert werden.

Im Haushaltsplanentwurf 2019/20 des Senats steht bisher, dass Schwerpunktschulen für jedes Kind mit körperlichen Einschränkungen einen Anspruch auf jeweils 2,26 Wochenstunden Physiotherapie und 1,28 Stunden Ergotherapie haben. Dazu kommen pro Kind 0,65 Stunden sozialpädagogische Assistenz – bisher die einzige Unterstützung, die auch Kinder mit geistigem Förderbedarf bekommen. Allerdings nur an Schulen, die mindestens fünf Kinder mit körperlichen Einschränkungen haben.

Die Linke will nun in einem Haushaltsantrag fordern, dass auch Kinder mit geistigen Einschränkungen Anspruch auf je 1,18 Wochenstunden Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie haben. „Es kann nicht sein, dass notwendige Förderung vorenthalten und eine Gruppe gegen die andere ausgespielt wird“, meint Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus. „Das wäre für eine so reiche Stadt wieder einmal beschämend.“

Michael Reichmann, Sprecher der Schulbehörde, sagt, bei den Finanzmitteln solle es sich um zusätzliche Ressourcen handeln: „Wir werden nun die Verhandlungen mit den Krankenkassen aufnehmen, um die gemeinsame Aufgabe für eine Finanzierung der therapeutischen Maßnahmen auch für Kinder mit geistigen Behinderungen zu bewältigen.“

Auch Olaf Duge, bildungspolitischer Sprecher der Grünen, sagt, es gebe keinen Grund zur Sorge: „Wir hatten bereits mit der Initiative gesprochen und exakt erläutert, dass es keine Umverteilung zu Lasten der Schülerinnen und Schüler mit körperlichen Behinderung geben wird.“

Dies sehen der Kreiselternrat der Sonderschulen und die Initiative mit Skepsis. Und auch SPD-Fraktionssprecher Felix Koopmann gibt zu: „Es ist noch nicht klar, wie viel Mittel die Krankenkassen stellen werden. Und davon hängt ab, wie viel Mittel noch gebraucht werden.“