Punklegende Pete Shelley ist tot: Die glockenhelle Stimme des Punk

Einfach, schnell, roh und schön. Pete Shelley, der Gitarrist, Songwriter und Sänger der Punkband Buzzcocks, ist gestorben.

Pete Shelley vor dem Logo der Buzzcocks auf der Bühne des Riot Fest in Chicago.

Wunderbarer Sänger und Songwriter der Buzzcocks: Pete Shelley, 2014 in Chicago Foto: Daniel DeSlover/Imago

Als Pete Shelley vor zwei Jahren mit den Buzzcocks auf Jubiläumstour war, konnte man sich wundern. Hinter dem Mikrofon auf der Bühne des Berliner SO36 stand ein rundlicher Mann mit Halbglatze und grauem Bart, den man im Pub niemals als Punk-Ikone identifiziert hätte. Pete Shelley sah aus wie jedermann. Dann fing er zu singen an wie ein junger Gott.

Der Sound der Buzzcocks war geprägt gewesen von dieser hohen, hellen, frischen Jungsstimme, die so ganz anders war als die der meisten Punksänger. Nun, mit über sechzig, klang Shelley verblüffenderweise immer noch wie der junge Mann, dem wir einige der schönsten Punksongs überhaupt verdanken.

„Ever Fallen in Love (with someone you shouldn’t have)“ etwa, gesungen und geschrieben von Shelley, war der größte Hit der Buzzcocks. Er zeigte exemplarisch ihre geniale Mischung aus treibender Punk-Energie und einem feinen Gespür für Melodien mit Pop-Appeal.

Der Legende nach haben sich die Buzzcocks nach einem Konzert der Sex Pistols gegründet. In Wirklichkeit aber fanden sich Pete Shelley und Howard Devoto schon Ende 1975 zusammen. Im Sommer 1976 spielten sie im Vorprogramm der Pistols, im Dezember nahmen sie in Manchester die EP „Spiral Scratch“ auf. Drei Stunden dauerte die Recording Session, und das hörte man der Musik auch an. Sie war schnell, roh und schnörkellos.

Gründe dein eigenes Label

Das schönste und wohl bekannteste unter den vier kurzen Stücken hieß „Boredom“ und attackierte die Formelhaftigkeit des Punk schon satirisch, als es ihn gerade mal ein, zwei Jahre gab. Dass Langeweile auch ein kreativer, ekstatischer Zustand sein kann, beweist das Gitarrensolo von „Boredom“, das aus zwei Tönen besteht, die 66-mal wiederholt werden. Ein­facher geht nicht, und gerade deswegen muss man „Boredom“ zu den größten Popsongs des 20. Jahrhunderts zählen.

Die Buzzcocks kultivierten aber nicht nur einen Minimalismus, der ungezählte Bands nach ihnen inspirierte. Sie waren auch die erste britische Band, die ein eigenes Label gründete und zeigte, dass nicht nur jeder in einer Band spielen, sondern dass auch jede Band ihre Musik selbst veröffentlichen konnte.

Mit Krücken und mit Rollstühlen

Als die Buzzcocks im SO36 aufliefen, sahen die ältesten der Punks, die in Massen gekommen waren, um die Helden zu empfangen, so aus, als seien sie schon in Rente. Sie kamen mit Krücken und fuhren mit Rollstühlen, aber die Energie war immer noch da.

Der halbe Saal sang mit, als die Buzzcocks „Harmony In My Head“ gaben, eine Hymne auf die inneren Kräfte des Menschen, denen die moderne Gesellschaft nichts anhaben kann. Der wunderbare Pete Shelley ist am Donnerstag unerwartet im Alter von 63 Jahren in Estland gestorben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.