„Es ist eine Bande“

Von rechten Anschlägen in Neukölln Betroffene wenden sich an den Generalbundesanwalt. In die Polizei haben sie kein Vertrauenmehr

Von Susanne Memarnia

Die Opfer der Reihe rechter Anschläge in Neukölln sowie zahlreiche Politiker wie Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) fordern die Einstufung der Angriffsserie als Terrorismus und die Übernahme der Ermittlungen durch den Generalbundesanwalt (GBA). Am Freitag unterzeichneten sie im Rathaus Neukölln einen entsprechenden Brief. „Es gibt eine Bande von Nazis im Bezirk, die die breite Zivilgesellschaft terrorisiert und demokratisches Engagement notwendig macht“, sagte Hikel.

Die erste Anschlagserie 2011/12 begann mit zwei Brandanschlägen auf das Anton-Schmauch-Haus der Falken. Auch der Mord an dem 22-jährigen Burak Bektaş 2012 zählt für die Unterzeichner dazu; ebenso der an Luke Holland 2015, für den ein Neonazi verurteilt wurde. Die zweite Serie seit Juni 2016 richtet sich vor allem gegen antifaschistisch engagierte Privatpersonen. Bislang wurden 14 Brandanschläge auf Autos verübt. Einige Betroffene erhielten Morddrohnungen, es gab rechte Schmierereien an Buchläden und eingeschlagene Fensterscheiben.

Eine der Betroffenen, Claudia von Gélieu von der Buchhandlung Olga Benario, erinnerte daran, dass die Polizei im Frühjahr 2017 zwei Sonderkommissio­nen eingerichtet habe, die bislang keine Ermittlungserfolge vorzuweisen haben. „Stattdessen werden regelmäßig Ermittlungsverfahren eingestellt.“

In diesem Zusammenhang verwies Jürgen Schulte von der Bürgerinitiative „Hufeisen gegen Rechts“ auf die im November 2017 zerstörten 16 Stolpersteine im Bezirk. Bereits am 1. März dieses Jahres habe die Polizei die Arbeit dazu eingestellt: „Noch nicht einmal die halbjährliche Schamfrist, die von der Staatsanwaltschaft sonst eingehalten wird, wurde abgewartet.“

Heinz Ostermann, Inhaber der Rudower Buchhandlung Le­po­rel­lo, dessen Auto zweimal brannte, betonte, dass die Anschläge „auch Angehörige und Nachbarn“ in Gefahr brächten. „Es ist eher überraschend, dass bislang niemand zu Schaden gekommen ist.“ Allerdings erlitt dieMutter des Linkenpolitikers Ferat Kocak, dessen Auto im Februar abgefackelt wurde, nach dem Anschlag einen Herzinfarkt, wie er berichtete. „Unser Leben ist nicht mehr wie zuvor“, Angst sei nun ständiger Begleiter.

Dass die Unterzeichner der Polizei misstrauen, war offenkundig. Kocak sprach von „Staatsversagen nach rechts“. Vom Eingreifen des GBA und der damit verbundenen Einstufung als rechter Terror versprechen sie sich, „eine Bündelung der Verfahren und die Anwendung von Ermittlungstechniken, die nur von der obersten Strafverfolgungsbehörde möglich sind“, heißt es im Brief.

Allerdings hatte der GBA dies im August bereits abgelehnt, als Innensenator Andreas Geisel danach fragte. Begründung: Es gebe keine belastbaren Erkenntnisse, dass hinter all dem eine Gruppe stehe. Miriam Blumenthal, SPD-Fraktionschefin in der Neuköllner BVV, kann da nur den Kopf schütteln. „Wenn die Polizei sich näher mit dem befassen würde, was antifaschistische Recherchen ergeben haben, wäre sie schon weiter.“