Berlin will Jesidinnen

Die Koalition wird ab 2019 jährlich 100 Resettlement-Flüchtlinge aus Nordirak und Syrien aufnehmen. Beschluss heute im Abgeordnetenhaus

Jesiden haben in ihrer Heimat keine Chance mehr auf ein normales Leben Foto: Rodi Said/reuters

Von Marina Mai

Berlin wird ab 2019 jährlich 100 Resettlement-Flüchtlinge, hauptsächlich aus Syrien und Nordirak, aufnehmen. Das wollen die Koalitionsfraktionen SPD, Grüne und Linke heute im Abgeordnetenhaus beschließen. Es geht um Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden und in Flüchtlingslagern in der Region Aufnahme gefunden haben, dort aber nicht ihren besonderen Bedürfnissen entsprechend versorgt werden können.

Die 100 Menschen brauchen in Deutschland kein Asylverfahren zu durchlaufen, weil sie bereits als besonders schutzbedürftig anerkannt wurden. Es geht beispielsweise um Jesidinnen in Nordirak, die Opfer von Isis wurden. In späteren Jahren könnte es auch um Menschen aus anderen Regionen gehen, in denen humanitäre Notlagen herrschen, heißt es in der Gesetzesvorlage.

Bernd Mesovic von der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl begrüßt gegenüber der taz die Initiative, für die es Vorbilder in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Brandenburg gibt. „Bei Jesiden geht es um Opfer eines systematischen Genozids. Sie haben keine Rückkehrperspektive in ihre Heimatregion und werden im Irak und in Syrien lebenslänglich in Lagern ohne adäquate Versorgungsstrukturen leben müssen.“

Doch bei Aufnahmeprogrammen stecke der Teufel im Detail, so Mesovic. „Oft werden nur Frauen und Kinder aus diesen Lagern in anderen Staaten aufgenommen. Inzwischen haben wir dort aber vor allem besonders schutzbedürftige Männer und Familien.“ Außerdem müssten ein Daueraufenthaltsrecht sowie das Recht auf Familiennachzug geklärt werden, falls später Familienangehörige auftauchen, die heute noch verschollen sind. Wie Berlin mit den letzten beiden Fragen umgeht, ist noch nicht entschieden, aber der Antrag der Koalition ist ausdrücklich nicht auf Frauen und Kinder beschränkt.

Katina Schubert, integrations­politische Sprecherin der Linksfraktion, sagte, das Programm „möchte Menschen helfen, die brutaler Verfolgung und zum Teil in Gefangenschaft des IS Folter und Vergewaltigung ausgesetzt waren.“ Ihre SPD-Kollegin Nicola Böcker-Giannini verwies auf den Friedensnobelpreis für die jesidische Menschenrechtlerin Nadia Murad. Der zeige „auf deutliche Weise das große Problem von denjenigen Menschen, die besonderen Schutzes bedürfen“.

Bis das Programm umgesetzt wird, dauert es aber noch eine Weile, erklärte Bettina Jarasch (Grüne) der taz. „Die internationalen Organisationen bestehen darauf, dass Berliner Beamte vor Ort bei der Auswahl der Flüchtlinge mithelfen. Diese internationalen Abstimmungen dauern. Wir müssen in Berlin aber auch Unterkünfte finden, die den besonderen Bedarfen der Aufzunehmenden entsprechen.“