Ungeliebtes Schulgeld

In Bremen sollte das Schulgeld für Pflegeschüler*innen eigentlich zum 1. Januar wegfallen, doch nun stellen sich die Kassen quer. Schleswig-Holstein ist da schon deutlich weiter

Dauerbrenner Personal-Notstand: Schon 2014 demonstrierten Pflegekräfte in Bremen für eine attraktivere Ausbildung Carmen Jaspersen/dpa Foto: Foto:

Von Lea Schweckendiek

„Schulgeld Nein Danke“ steht auf einem der Schilder der Demonstrant*innen, die sich Anfang Dezember spontan im Vorraum der Bremer Gesundheitsbehörde niedergelassen haben. Rund 100 Pflegeschüler*innen sind an diesem Nachmittag zur Sitzung der Gesundheitsdeputation gekommen, einige schafften es sogar in den Sitzungssaal. Wieder einmal wollten sie den Druck erhöhen, um die Befreiung vom Schulgeld durchzusetzen. Die war ihnen nämlich zum 1. Januar versprochen worden.

Zwei Wochen später ist ihr Ziel wieder ein Stück in die Ferne gerückt – wohl um gut vier Monate. Es könnte bis April dauern, ehe das Schuldgeld für die Schüler*innen der Ergo- und Physiotherapie wegfällt. Dabei hatten Krankenkassen und Schulen ihren Streit über die Kostenteilung bereits beigelegt. Aber nun wird der 1. Januar doch nicht der Stichtag. Die Pflegeschüler*innen wollten das nicht stillschweigend hinnehmen und haben am Mittwoch einen offenen Brief veröffentlicht.

Lisa Weinhold und Melissa Budanacamanak haben den Brief mit verfasst, sie organisieren gemeinsam mit ihren Mitschüler*innen seit acht Monaten den Protest gegen das Schuldgeld – zuvor ging der schon eine Weile von ihren Lehrkräften aus. Sie alle verstehen nicht, was der Schulgeldfreiheit in Bremen noch im Weg steht.

In der Deputationssitzung vor zwei Wochen begründete Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brand (SPD) das damit, dass Krankenkassen, Schulträger und die Bremer Heimstiftung über die Aufteilung der Mehrkosten uneins seien.

Die Krankenkassen und das Land Bremen, sagt Weinold, hätten zunächst einen rechtlichen Rahmen abstecken müssen, in dem die Kassen überhaupt Schulen finanzieren dürfen. Mit einer Angliederung der Schulen an die Abteilung Mobile Reha des Klinikverbunds Gesundheit Nord (GeNo) sollte dieses Problem gelöst werden.

Konflikte habe es darüber gegeben, wie groß die Anteile der GeNo an den beiden Bremer Pflegeschulen sein dürfte. „Die GeNo forderte von der Heimstiftung, dass sie 51 Prozent der Anteile an den Schulen haben dürfe“, sagt Weinold. „Die Heimstiftung wollte nur 49 Prozent abgeben.“ Die Schüler*innen vermuten nun, die Heimstiftung habe nachgegeben.

„Die GeNo zögert es jetzt nur noch raus“, sagt Budanacamanak. Der Klinikverbund argumentiere mit Regularien, die die Umsetzung verzögern würden – wohl noch bis April, obwohl der versprochene Stichtag zur Umsetzung der 1. Januar war. „Wir verstehen nicht, warum das nicht mehr in Frage kommt“, sagt Budanacamanak. „Man könnte doch auch rückwirkend Schulgeld erlassen, selbst wenn die Organisation noch eine Weile dauert“, so Weinhold. Die GeNo wollte sich dazu am Donnerstag nicht offiziell äußern.

Schulgeld muss nur für rein schulische Ausbildungen gezahlt werden. Die Auszubildenden sind in hier Schüler*innen und haben deshalb auch keinen Anspruch auf eine Ausbildungsvergütung.

Berufsausbildungen, in denen in der Regel Schulgeld bezahlt werden muss, finden sich vor allem im Gesundheits- und Sozialwesen, aber auch in gestaltenden und technischen Berufen.

Jedes Bundesland hat die Möglichkeit, Ausbildungsberufe im Haushalt zu bezuschussen, um das Schulgeld zu erlassen. Derzeit wird vorbereitet, das Schulgeld bundesweit abzuschaffen.

Die Länder nutzen ihren Spielraum sehr unterschiedlich. Während in Niedersachsen und Schleswig-Holstein das Schulgeld für die Therapieausbildungen abgeschafft wurde, müssen beispielsweise in Bayern und Nordrhein-Westfalen noch nahezu alle Kosten von den Schüler*innen getragen werden.

Für die Schüler*innen ist die derzeitige Situation nicht hinnehmbar. Viele, so erzählen sie, hätten die Ausbildung nur auf Grund der Aussicht auf Schulgelderlass ausgewählt. Denn debattiert wurde das schon vor zwei Jahren, als auch Weinhold und Budanacamanak ihre Ausbildung begannen. Zwei Jahre später ist bis auf eine Halbierung des Schulgeldes als Kompromiss nichts passiert.

Ab Januar 2019 fällt das Schulgeld in Schleswig-Holstein weg, das hatte die Koalition aus CDU, FDP und Grünen beschlossen. Auszubildende der Therapieberufe werden hier dann von rund 400 Euro monatlichen Kosten entlastet. Und auch in Niedersachsen soll die Schulgeldfreiheit kommen, diskutiert wird das derzeit für das Schuljahr 2019/2020. Und in Hamburg protestierten Auszubildende in der Physio- und Ergotherapie sowie der Logopädie zuletzt Ende November für die Abschaffung des Schulgelds von bis zu 440 Euro im Monat ab 2019. Die Linke hat einen entsprechenden Antrag in die Haushaltsberatungen der Hamburgischen Bürgerschaft eingebracht.

Die Bremer Landesseniorenvertretung sorgt sich indes um die Konsequenzen des ewigen Aufschubs. Auch sie setzt sich gegen das Schulgeld ein, brachte gleich kurz nach der Deputationssitzung eine Stellungnahme im Interesse der rund 180.000 Senior*innen in Bremen raus. „Schon jetzt sind die Zahlen der Therapieschulen rückläufig. Das bedeutet für uns langfristig weniger medizinische Betreuung“, sagt Dirk Mittermeier, Pressesprecher der Seniorenvertretung. Man müsse bedenken, dass der Pflegebedarf in Zukunft mit alternder Gesellschaft zunehmen wird – während die Ausbildungszahlen rückläufig sind.

Das Bremer Gesundheits-Monitoring, so heißt es in der Mitteilung der Seniorenvertretung, ergebe schon jetzt einen Fachkräfteengpass in den Therapieberufen – wie in den meisten Pflegeberufen. Jede*r zweite Therapieschüler*in, so ergibt eine bundesweite Studie zur Berufsflucht in den Therapieberufen, überlege, aus der Ausbildung auszusteigen.