Kommentar Friedensgespräche für Jemen: Frieden gibt es nur mit den Tätern

In Schweden verhandeln diejenigen, die den Jemen in einen sinnlosen Krieg gestürzt haben. Nur sie können ihn auch beenden.

Ein Mann im Rollstuhl schaut in den Spiegel

Jemen, Marib: Anas al-Sarrari sitzt in einem Rollstuhl in seinem Haus. Der 26-jährige Aktivist wurde, wie er sagt, von Huthi-Rebellen gefoltert Foto: ap

Kriege können auf verschiedene Arten beendet werden. Etwa, wenn eine überlegene Kriegspartei der unterlegenen ihre politische Ordnung für die Nachkriegszeit aufzwingt. Das ist ein mögliches Szenario in Syrien, das Baschar al-Assad mit Hilfe Russlands und des Irans fast vollständig wieder militärisch kontrolliert und das er politisch von aller Opposition säubert. Es wäre ein Szenario, das zunächst zwar die Kriegshandlungen beendet, aber ob dies politisch nachhaltig ist, darf bezweifelt werden.

Die zweite Art, wie ein Krieg beendet werden kann, erleben wir derzeit möglicherweise im Jemen. Dort reift scheinbar langsam bei beiden Kriegsparteien, der Regierung von Abed Rabbo Mansur Hadi und seinen saudischen Unterstützern und den Huthi-Rebellen und ihren iranischen Sponsoren, die Einsicht, dass dieser Krieg nicht militärisch gewonnen werden kann. Nach fast vier Jahren sinnlosen Krieges sitzen sie nun in Schweden am Verhandlungstisch, in der Hoffnung, dort jeweils mehr erreichen zu können als auf dem Schlachtfeld.

Das Problem mit solchen Friedensverhandlungen ist stets, dass die Täter des Krieges hier die einzige Hoffnung für dessen Ende darstellen. Denn im Falle Jemen werden die Verhandlung genau von jenen Kriegsparteien geführt, die das Land in die derzeit größte humanitäre Krise der Welt geführt haben. Eigentlich gehörten sie alle vor ein internationales Gericht. Aber diese menschengemachte humanitäre Katastrophe kann nur von Menschen beendet werden. Leider sitzt die jemenitische Zivilbevölkerung in Schweden nicht mit am Tisch.

Diese Zivilbevölkerung war immer nur eine Trumpfkarte im zynischen Spiel der Kriegsparteien. Die Regierung und ihre saudischen Verbündeten hatten offensichtlich kein Problem damit, die Einwohner der von den Huthi-Rebellen kontrollierten Gebiete auszuhungern.

Wie wenig sich beide Seiten um die Kinder scheren, haben sie immer wieder deutlich gemacht. Die Saudis bombardieren Schulen und die Houthis rekrutieren Kindersoldaten.

Das ist das größte Verbrechen dieses Krieges: Alle zehn Minuten verhungert nach UN-Angaben im Jemen ein Mensch. Aber auch die Huthi-Rebellen sind skrupellos. Sie benutzten die Bilder von verhungernden Kindern für ihre eigene Propaganda und erhofften sich vom Aufschrei der internationalen Hilfsorganisationen einen Vorteil, um ihre Position in diesem Krieg zu verbessern.

Seit vier Jahren Krieg

Wie wenig sich beide Seiten tatsächlich um die Kinder scheren, haben sie immer wieder deutlich gemacht. Die Saudis bombardieren Schulen und die Huthis rekrutieren Kindersoldaten. Das Ergebnis: Zwei Millionen jemenitische Kinder haben seit Jahren keine Schule von innen gesehen.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Jetzt sitzen die Täter also statt in einem internationalen Gerichtssaal am Verhandlungstisch in Schweden. Und auch dort denken sie zuerst an sich selbst und bringen zunächst ihre Kämpfer in Sicherheit. Sie haben sich bereits geeinigt, Verwundete auszufliegen und gefangene Soldaten auszutauschen. Wieder stehen die Belange der Zivilbevölkerung erst in zweiter Reihe. Man kann hoffen, dass die Unterhändler als nächstes einen Waffenstillstand rund um den seit Wochen schwer umkämpften Hafen von Hudaida aushandeln. Über diesen werden 80 Prozent der Hilfslieferungen abgewickelt, von denen zwei Drittel der jemenitischen Bevölkerung abhängig sind.

Das wäre dann das erste Verhandlungsergebnis, das für die Menschen im Land tatsächlich einen Unterschied macht. Wenn dann noch die Saudis aufhören zu bombardieren und die Huthis keine Raketen mehr nach Saudi-Arabien schießen, dann wäre tatsächlich eine Deeskalation erreicht, auf deren Grundlage die eigentlichen Friedensverhandlungen um die politische Zukunft des Landes beginnen können. Aber davon sind der Jemen und seine Unterhändler noch meilenweit entfernt.

Ach ja, es gibt noch einen dritten Weg, einen Krieg zu beenden. Internationale Sanktionen gegen alle Kriegsparteien und ein Stopp von Waffenlieferungen. Damit hätte man das jemenitische Desaster vielleicht schon vorher aufhalten können. Denn dass der Krieg jetzt fast vier Jahre andauert, liegt auch daran, dass man international in die andere Richtung gesehen hat. Schließlich ist Saudi-Arabien gut fürs Waffengeschäft und die jemenitischen Flüchtlinge kommen nicht nach Europa. Vielleicht gehört die internationale Gemeinschaft hier also auch auf die Anklagebank. Aber mit Anklagen beendet man keinen Krieg: Das können wie gesagt nur jene, die ihn angerichtet haben.

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Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

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