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Was tun, wenn der Diesel stinkt?

2019 wird das Jahr der Dieselfahrverbote. Die Deutsche Umwelthilfe hat mehrere Klagen gewonnen, andere Entscheidungen stehen noch aus. In Hamburg sind Fahrverbote schon in Kraft. Doch wie sieht es rechtlich eigentlich aus? Und: Was kann ich tun, wenn ich einen Diesel fahre?

Ungesund: Diesel-Abgase Foto: Marcus Führer/dpa

Von Florian Maier

Software-Manipulation, Abgasskandal, Euronormen, Wertverlust – wer zu den etwa 30 Prozent der Deutschen gehört, die Diesel fahren, hat sich in letzter Zeit mit Dingen beschäftigen müssen, die ihm vorher wohl nicht so dringend erschienen. Doch dann räumte Volkswagen im September 2015 Manipulationen an Dieselmotoren ein, mittlerweile betrifft ein Pflichtrückruf rund 2,5 Millionen VW-Autos. Und dann die Fahrverbote: Für Dieselautos sind sie im Mai 2018 in Hamburg erstmals in Kraft getreten; 580 Meter der Max-Brauer-Allee sowie 1,6 Kilometer Stresemannstraße dürfen nur Autos befahren, die der Abgasnorm Euro-6 entsprechen. Die Durchfahrtsbeschränkungen waren notwendig, weil Hamburg an diesen Orten regelmäßig den EU-Grenzwert für Stickoxide überschreitet. Inzwischen stehen auch in anderen Städten Fahrverbote an, zahlreiche Klagen sind anhängig.

Was bedeutet das für die Verbraucher? Was droht mir mit meinem Diesel? Und: Können wir uns rechtlich wehren?

Wie hoch ist der Grenzwert für Umweltbelastungen?

Der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid beträgt 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in einem Grundsatzurteil vom 27. Februar 2018 das Jahr 2019 als letztmöglichen Zeitpunkt zur Einhaltung des Jahresmittelwerts festgelegt.

Wie sieht es rechtlich auf kommunaler Ebene aus?

Vor allem Städte versuchen durch Maßnahmen wie Luftreinhaltepläne, die Vorgaben einzuhalten. Nichtregierungsorganisationen wie der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geht das nicht schnell genug. Die DUH klagt deshalb auf Fahrverbote – und führt nach eigenen Angaben Gerichtsverfahren in 34 Städten. Ein „einklagbares Recht auf saubere Luft“ beteht laut DHU erst seit einer Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 5. September 2013. Für zahlreiche Kommunen ordneten Gerichte bereits Fahrverbote an.

Wen betreffen die Durchfahrverbote?

In Hamburg zum Beispiel sind von dem Fahrverbot in der Max-Brauer-Allee rund 168.000 Hamburger Diesel-Pkw betroffen, die nicht die Euro-6-Norm einhalten. Für Anwohner*innen gilt die Norm nicht, Besucher*innen und andere Anlieger*innen sind ebenfalls nicht betroffen. Die Durchfahrtsbeschränkung auf der Stresemannstraße gilt weiterhin nur für LKW, die die Grenzwerte überschreiten. In Hannover könnte ab September 2019 im gesamten Gebiet der Umweltzone ein Fahrverbot für Euro-4- und Euro-5-Diesel eingerichtet werden. In anderen Städten, wie jüngst etwa Darmstadt, wo ein Fahrverbot ab Juni 2019 gelten soll, treffen die Beschränkungen Dieselfahrzeuge bis zur Euronorm 5, aber auch alte Benziner bis zur Euronorm 2. Ausnahmen soll es auch dort geben: für mit Stickoxid-Katalysatoren nachgerüstete Fahrzeuge, Anwohner, Taxis sowie Fahrzeuge mit Sonderrechten, wie beispielsweise Rettungsdienste.

Was sind mögliche Konsequenzen?

Die Polizei in Hamburg führt in den Straßenabschnitten vermehrt Kontrollen durch. Eine Plakette oder ähnliche Fahrzeug-Kennzeichnungen gibt es bisher nicht. Bei Zuwiderhandlung winkt ein Bußgeld. Seit 21. Juni kostet ein Verstoß gegen das Durchfahrtsverbot etwa 20 Euro. Bei LKW liegt die Strafe etwa bei 60 Euro.

Wehren sich Länder wegen der Abgasmanipulation?

Ja. Das Land Baden-Württemberg will Volkswagen wegen des Dieselskandals auf Schadensersatz verklagen. Die grün-schwarze Landesregierung wirft dem Autohersteller eine „vorsätzlich sittenwidrige Schädigung“ vor. Unter anderem die Piratenpartei fordert das auch von der niedersächsischen Regierung.

Wie kann ich mich als Dieselfahrer*in wehren?

Die Verbraucherzentrale informiert, dass es sich laut Bundesgesetzbuch um einen Mangel handelt, sobald in das Dieselfahrzeug eine Manipulationssoftware eingebaut und aktiviert wurde. Dadurch sind rechtliche Schritte möglich. Denn nach geltendem EU-Recht ist diese Software unzulässig. Jede betroffene Person kann einzeln klagen oder sich einer sogenannten Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen anschließen.

Was ist diese Muster-Klage?

Die Musterfeststellungsklage wurde erst kürzlich eingeführt. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) und der Automobilclub ADAC haben gemeinsam eine solche Klage gegen VW eingereicht – stellvertretend für vom Abgasskandal betroffenen Kunden. VW hat die Forderungen übrigens zurückgewiesen: Die Autos seien genehmigt, technisch sicher und fahrbereit.

Gibt es Risiken, wenn ich mich an der Klage beteilige?

Laut Verbraucherzentrale ist die Eintragung in das Klageregister kostenlos und frei von Prozesskostenrisiken. Bei der Musterfeststellungsklage übernehmen die Verbraucherschützer das Prozessrisiko. Der ADAC gibt aber den Hinweis: „In der Musterfeststellungsklage geht es nicht um Ansprüche Einzelner, sondern um deren grundlegende Voraussetzungen, also ob zum Beispiel VW unrechtmäßig gehandelt hat.“ Die Ansprüche einzelner Betroffener würden nach erfolgreichem Abschluss des Prozesses durch individuelle Klagen geltend gemacht werden können.

Wie erfolgreich ist die Muster-Klage bislang?

Die Klage war zulässig, sobald sich 50 betroffene Verbraucher*innen in das Register eingetragen hatten. Anfang Dezember informierte der VZBV, dass sich inzwischen mehr als 81.000 Autokäufer angeschlossen hätten. Ein paar Tage später berichtete der ADAC von bereits rund 155.000 betroffenen Dieselfahrern, die sich beim Bundesamt für Justiz (BfJ) für die Eintragung ins Klageregister angemeldet hätten. Die Juristen des ADAC würden seit Eröffnung des Klageregisters Ende November etwa 25.000 Anfragen pro Woche erhalten.

Nach Einschätzung der EU-Kommission werden in 170 Städten in 23 EU-Mitgliedstaaten die Vorgaben für gute Luft verletzt.

Nach EU-Angaben sterben jährlich etwa 70.000 Menschen in der EU an den Folgen zu hoher Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2). Stickstoffdioxid gilt als Auslöser für Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Laut Umweltbundesamt (UBA) ist der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxiden pro Kubikmeter Atemluft 2016 in Deutschland an fast 60 Prozent der Messstationen überschritten worden; das bedeutet in mehr als 80 Städten.

Im Norden sind Hamburg, Hannover, Kiel, Osnabrück und Göttingen besonders betroffen.

Wer kann sich der Klage anschließen?

Laut ADAC kann sich nur eintragen, wer ein vom Abgasskandal betroffenes Auto gekauft hat. Das sind Fahrzeuge der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit Dieselmotoren des Typs EA189 (Hubraum: 1,2, 1,6, 2,0 Liter), sofern in ihnen eine illegale Abschalteinrichtung verwendet worden sei. Betroffen sei, wer vom Kraftfahrtbundesamt oder dem Hersteller ein entsprechendes Rückrufschreiben erhalten und zum Update aufgefordert worden sei.

Wie melde ich zur mich Musterfeststellungsklage an?

Man kann sich sowohl per Post als auch elektronisch eintragen. Auf der Website des Bundesamts für Justiz gibt es eine Anmeldung zum Klageregister als Download. Auch stellt diese eine Ausfüllanleitung zur Verfügung, um den Anmeldeprozess zu vereinfachen. Weiterhin hat der VZBV eine eigene Website mit nützlichen Informationen speziell zur Musterfeststellungsklage eingerichtet. Der ADAC bietet sogar auf Youtube Tutorials zum richtigen Ausfüllen der Klage an.

Bis wann kann ich mich für die Klage registrieren?

Bis einen Tag vor Beginn des ersten Termins im Musterfeststellungsverfahren ist es möglich, sich in das Klageregister einzutragen. Das Bundesjustizministerium wird den Termin auf seiner Website veröffentlichen. Die Verbraucherschützer raten allerdings, sich noch in diesem Jahr in das Klageregister einzutragen, um einer möglichen Verjährungsfrist von zwei Jahren zu entgehen.

An wen kann ich mich wenden?

Die Verbraucherzentrale Hamburg rät ADAC-Mitgliedern, sich für juristischen Beistand an den Automobilclub zu wenden. Für alle anderen wurde eine Hotline eingerichtet, mit der man sich bei der Verbraucherzentrale über die Klage informieren kann. Diese ist allerdings laut Website „Aufgrund extrem hoher Anrufzahlen zur Zeit nur eingeschränkt erreichbar“.